Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx

hätte. Auf beiden Seiten der Nase spien schwere dreiläufige Pulser zuckende weiße Glutbahnen aus und sandten Tausende hochexplosiver Projektile über die Straße. Lebende wie tote Leiber zerriss es ohne Unterschied, und die Bodenwagen und das Pflaster darunter boten den tödlichen Geschossen kaum mehr Widerstand. Sie wurden in kleine Vulkane aus zerfetztem Metall und zersplittertem Stein verwandelt. Der Kalk im Beton glühte unter dem Hagel blitzschneller, heulender Bolzen fahlweiß auf. Hinter ihrer blauen Antriebsflamme aus brennendem Wasserstoff ließ die Pinasse nichts als Wracks und Vernichtung zurück.
    »Wir sind erfasst!«, rief der Pilot, als ein Alarm ertönte und es rot auf seinem Instrumentenbrett aufleuchtete. Er schaltete die Düsen auf Vollschub.
    Die Pinasse machte einen Satz nach vorn. Etwas traf sie in die Seite, und eine der schweren Luftansaugturbinen riss sich los und wirbelte davon. Bürgerin Admiral McQueen bekam noch mit, wie ihre Pinasse in einen Wohnturm einschlug. McQueens letzter Gedanke bestand in ungeduldigem Zorn. Nun würde sie nicht mehr erleben, ob ihr Blatt gewann oder verlor.
     
    »Bürger Vorsitzender«, sagte der Marineinfanterist und salutierte. »Ich freue mich, melden zu dürfen, dass sich das Gebäude vollends in unserer Gewalt befindet. Ich muss Sie jedoch alle bitten hier zu bleiben, bis wir –«
    »Geschafft!«, rief jemand. »Sir, das Netz ist wieder da! Wir haben den beschissenen Geist erledigt!«
    »Entschuldigen Sie«, sagte Pierre zu dem Brigadier. Er drehte sich um, machte zwei lange Schritte zum Terminal, setzte sich und begann, Befehle zu erteilen. Zwanzig Minuten dauerte es, bis er sich wieder zurücklehnte.
    »Bürger Committeeman Saint-Just«, sagte er, »könnten Sie mir freundlicherweise verraten, was genau vor sich gegangen ist?«
    Saint-Just schluckte; er hatte die größte Sicherheitsverletzung in der Geschichte des neuen Regimes zugelassen. Zwar nimmt er an , dachte Pierre hinter seiner unbewegten Maske, dass ich weiß, dass jeder mal einen Fehler machen kann. Aber hundertprozentig sicher sein kann er sich da nicht. Ein ironisches Grinsen zuckte nun um Pierres Mundwinkel; die Politik des Neuen Gesichts hätte einen sehr unglaubwürdigen Start, wenn er ausgerechnet seinen Stellvertreter eines Fehlers wegen erschießen ließ.
    Hinter dem Chef der Systemsicherheit stand der Marineinfanteriegeneral; der Mann wirkte sehr wachsam – jeder vernünftige Mann wäre wachsam gewesen, der in so engem Kontakt zum Komitee für Öffentliche Sicherheit gestanden hätte.
    »Nun, Bürger Brigadier … Conflans?« Der Mann nickte. Auf dem Armschutz und dem Brustpanzer seines Kampfanzugs waren verbrannte Stellen und Flecken, einer rostroten getrockneten Flüssigkeit. »Hätten Sie vielleicht die Freundlichkeit, mir zu verraten, wie es zu dieser zeitlich so passenden Rettung aus höchster Not kommen konnte?«
    Während Conflans’ Rapport zog der Vorsitzende des Komitees die Brauen immer weiter hoch, bis ihm die Stirn schmerzte. »Zeitlich sehr passend sogar«, murmelte er, als der Brigadegeneral fertig war. »Esther McQueen steckt also dahinter?« Er blickte Saint-Just an; der SyS-Chef nickte. Ich wollte doch heute Nachmittag mit ihr sprechen. Er blickte den Bildschirm an; drei Stunden war die Revolte nun erst im Gange. Ihm kam es vor, als seien Jahrzehnte vergangen – wie hatte er sich bloß diesen blauen Fleck eingehandelt, wann sich die Jacke zerrissen?
    »Nun, und wo ist die Dame?«, fragte er. »Ich kann Ihrem und Bürger Captain Nortons Gebaren doch entnehmen, dass sie sich nicht an Bord der Rousseau befindet?«
    »Nein, Bürger Vorsitzender«, antwortete Conflans. Das grimmige und gleichzeitig gut aussehende Gesicht hinter dem struppigen Schnauzbart wirkte plötzlich gequält. »Ihre Pinasse ist abgeschossen worden, als sie die letzte Phase leitete. Wir haben sie noch nicht –«
    »Suchen Sie Bürgerin Admiral McQueen, Oscar«, wandte sich Rob S. Pierre an den SyS-Chef. »Meines Erachtens ist die Dame gerade von einem möglichen zu einem gewissen Kandidaten aufgestiegen, und wenn sie nun tot wäre, müsste man es wirklich Ironie des Schicksals nennen.«
    Der bleiche, besonnene Bürokrat nickte. »Selbstverständlich, Bürger Vorsitzender. Ich kümmere mich sofort darum.«
     
    Esther McQueen fand, dass der Tod sehr dem Weltraum ähnele: sehr dunkel und erfüllt von hellen, unendlich weit entfernten Lichtpunkten.
    Erst dann begriff sie, dass sie kopfüber im