Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
Heimat, das Sternenkönigreich von Manticore, genoss weithin den verdienten Ruf, zu den erfolgreichsten Sternnationen der Milchstraße zu zählen (und war auf Basis des Pro-Kopf-Einkommens vermutlich die reichste aller Sternnationen). Außerhalb der Solaren Liga dominierte der manticoranische Frachtverkehr sämtliche interstellaren Handelsrouten. Über ein Jahrhundert lang hatte die Galaxis keinen größeren Krieg mehr erlebt, wenngleich es zahlreiche Krisenherde gab, in denen Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen wurden, ohne dass sie zum offenen militärischen Schlagabtausch eskalierten. Als Beispiel sei hier nur die Silesianische Konföderation genannt, in der bewaffnete Konfrontationen an der Tagesordnung waren. Sah man indes von den Gerüchten über die wirtschaftlich am Boden liegende Volksrepublik Haven ab, die jüngst ein halbes Dutzend benachbarte Sonnensysteme gewaltsam annektiert hatte, so stand anscheinend kaum zu erwarten, dass diese Verhältnisse sich je änderten. Im Jahre 1901 P. D. (dem Jahr, in dem Honor Harrington ins Basilisk-System beordert wurde) hatte sich die Lage jedoch gewandelt, und zwar drastisch. Fortschreitender wirtschaftlicher Verfall trieb die Volksrepublik Haven zu einen Expansionismus, wie man ihn seit der Epoche vor Anbeginn der Raumfahrt auf Alt-Terra nicht mehr gekannt hatte. Das Sternenkönigreich von Manticore stand dem Vormarsch der Haveniten im Weg, und das ›Goldene Zeitalter‹ des vergangenen Jahrhunderts strebte einem raschen Ende entgegen. Ein interstellarer Krieg nahte, in dessen Verlauf sich fast die ganze von Menschen besiedelte Galaxis gezwungen sehen würde, Partei zu beziehen – ein Orlog mit militärischen Operationen eines Umfangs, den man sich in den Jahrhunderten zuvor nicht einmal hätte vorstellen können.
Dieser Anhang möchte einige wichtige Einzelheiten der Galaxis darstellen, in die Honor Harrington hineingeboren wurde, die Verhältnisse in einer Milchstraße, bei deren Veränderung Honor eine tragende Rolle zugedacht war, der sie – freiwillig oder wider Willen – gerecht werden musste.
1. Allgemeiner Hintergrund
Am 30. September 2103 n. Chr verließ zum ersten Mal ein bemanntes Raumschiff das Sol-System: die Prometheus . Obwohl dieser interstellaren Weltraumexpedition fast fünfzig Jahre lang kein zweites Schiff folgte, betrachtet man das Jahr 2103 n. Chr allgemein als das Jahr Eins der Diaspora, und in der interstellaren Zeitrechnung wurde aus dem ersten Tag dieses Jahres der 1. Januar 01 P. D.
Für mehr als siebenhundert Jahre nach dem Erstflug der Prometheus sollte überlichtschnelle Raumfahrt unmöglich bleiben. Die Expansion zu den Sternen erfolgte zunächst ausschließlich mithilfe riesiger Generationenschiffe, bis man im vierten Jahrhundert P. D. praktikable Kältetiefschlaftechniken entwickelte. Die frühen Sternenschiffe wurden von simplen Schubmotoren angetrieben; Wasserstofffangfelder lieferten den nötigen Treibstoff, sobald die an Bord mitgeführte Reaktionsmasse verbraucht war. Spätere Generationen nahmen exotischere Entwürfe in Betrieb, doch obwohl sie zum Fusions- und schließlich zum Photonentriebwerk vorstießen, blieben sie doch an das grundsätzlich nur unterlichtschnell arbeitende Prinzip von Aktion und Reaktion gebunden. Dann, im Jahre 725 P. D. wurde im Sol-System der erste simple Hyperantrieb getestet.
Der Übergang vom Normalraum zum Hyperraum erwies sich als geschwindigkeitskritisch: Überschreitet das in den Hyperraum transistierende Raumschiff ein Tempo von dreißig Prozent der Lichtgeschwindigkeit (,3 c) , so wird es zerstört. Ferner muss es sich außerhalb der Hypergrenze eines Sterns befinden, wenn es in den Hyperraum eintreten will. Die Ausdehnung der Hypergrenze wiederum hängt vom Spektraltyp des betreffenden Sterns ab (und mithin von seiner Masse), wie Tabelle 1 zeigt.
Die ersten Hyperschiffe waren mörderische Fahrzeuge. In den ersten fünfzig Jahren des Hyperraumflugs erreichten die Verlustzahlen entmutigende Werte. Und schlimmer noch: Die zerstörten Schiffe gingen spurlos und ohne Überlebende verloren, sodass es weder Augenzeugen der Havarie noch Flugschreiberaufzeichnungen gab. Über die Unglücksursachen ließen sich deshalb zunächst nur Vermutungen anstellen. Letztendlich fand man jedoch heraus, dass die meisten vermissten Schiffe einem von zwei Effekten zum Opfer gefallen sein mussten, die man als ›Gravitationsscherkraft‹ und ›Dimensionsscherkraft‹ bezeichnete. Letztere besteht
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