Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
Sprungbrett für die Wiedereroberung von Trevors Stern nutzen. Das lässt sich zwar nicht nächste Woche durchführen und auch nicht nächsten Monat, aber für uns ist die Zeit gekommen, nicht jedes Mal zurückzuweichen, nur weil die Mantys einen Schlag landen konnten.«
Raunen erhob sich am Tisch, und innerlich schauderte es Giscard. Ausser bei seinem eigenen Stab hatte er schon lange nicht mehr solch einhellige, wenngleich leise Zustimmung gehört. Wie hat es McQueen nur geschafft, ihren Untergebenen in so kurzer Zeit so viel Rückgrat zurückzugeben? , fragte er sich. Kein Wunder, dass sie im Kampf so erfolgreich ist. Wen erstaunt es da noch, dass sich die Volkskommissare allein bei dem Gedanken an McQueens politische Ambitionen vor Angst in die Hose machen.
»Unsere Daten über die momentane Kampfstärke des Gegners sind nicht so solide, wie wir es gerne hätten«, sprach Bukato weiter. »Seit Kriegsbeginn krankt unsere Feindaufklärung innerhalb des Sternenkönigreichs. Tatsächlich erhärtet sich der Verdacht« – er warf einen Seitenblick auf Pritchart und Fontein –, »dass die Netze des Flottennachrichtendienstes schon vor Kriegsausbruch kompromittiert gewesen sein könnten. Es scheint, als hätten die Mantys tatsächlich unsere Agenten benutzt, um uns Falschinformationen zu liefern und damit zu fehlerhaften Anfangsaufstellungen zu verleiten.«
Wieder musste Giscard sich anstrengen, eine gleichmütige Miene zu wahren, und diesmal war es noch schwieriger. Die meisten neuen hohen Offiziere der Volksflotte hatten Spionage in Betracht gezogen, Giscard ganz gewiss, doch niemand hätte gewagt, Vermutungen wie diese offen auszusprechen. Dennoch erschien es einleuchtend. Irgendein triftiger Grund musste Flottenadmiral Arnos Parnell bewogen haben, geradezu am Vorabend des Krieges seine Kräfteverteilung noch einmal radikal zu verändern, und niemand glaubte an eine obskure Verschwörung legislaturistischer Offiziere, die das Volk aus Gründen betrügen wollten, die jedem außer den Eingeweihten rätselhaft bleiben mussten. Offiziell hieß es jedoch, die ungünstige Ausgangsverteilung der Volksflotte sei auf Fehler des alten Admiralstabs zurückzuführen. Dieses ›Verbrechen‹ hatte der neuen politischen Führung den Vorwand geliefert, die meisten hohen Admiralstabsoffiziere zu exekutieren. Wenn Bukato nun offen sagte, dass die Misserfolge der Volksflotte möglicherweise gar nicht Parnells Schuld waren – sondern dass die manticoranische Spionageabwehr den Chef des Admiralstabes an der Nase herumgeführt haben könnte …
Mein Gott, es ändert sich wirklich etwas! , dachte er verwundert und warf aus dem Augenwinkel einen raschen Blick auf Fontein. Der Volkskommissar hatte nicht einmal geblinzelt. Er saß ausdruckslos am Tisch, ohne die Miene zu verziehen. Seine Teilnahmslosigkeit verriet Giscard noch mehr als Bukatos Offenbarung.
»Trotz des Mangels an fundierten Daten aus verdeckten Quellen«, sagte der dienstälteste Bürger Admiral gerade, »konnten wir einige Vermutungen anstellen, die auf bekannten Feindaufstellungen basieren. Erwähnenswert ist auch, dass zum Zeitpunkt, als Bürger Konteradmiral Tourville das Adler-System angriff, die Mantys ihr übliches überlichtschnelles Sensornetz noch nicht installiert hatten. Aus der Beobachtung ihrer Vorpostenaufstellung und Patrouillen rings um Trevors Stern geht unserer Ansicht nach hervor, dass ihnen selbst dort nach wie vor ein komplettes Netz fehlt: ein deutlicher Hinweis auf Produktionsengpässe. Solche Annahmen sollte man zwar immer mit Vorsicht genießen, doch deckt sie sich mit den ermittelten Fertigungsraten. Seit Beginn der Feindseligkeiten ist das feindliche Bautempo stetig angestiegen, doch nach unseren Zahlen hat die Allianz nun die verfügbare Hellingkapazität ausgeschöpft. Die Produktionskurve hat ein Plateau erreicht. Wie wir hier sehen, fehlen dem Feind nicht nur überlichtschnelle Sensorplattformen bei Adler und Trevors Stern, sondern er verlässt sich auch in Silesia auf Q-Schiffe, weil er anderswo offenbar keine Schlachtkreuzer und Kreuzer freisetzen kann. Das sind vermutlich die Folgen seines Versuchs, den Ausstoß an neuen Rümpfen zu maximieren. Mit anderen Worten, die Allianz scheint die industrielle Vorkriegskapazität bis an die Grenze des Machbaren gestreckt zu haben. Wenn das so ist, muss man neue Werften einrichten, bevor die Kurve des Flottenausbaus wieder ansteigen kann. Damit wäre auch die gegenwärtige Passivität der Mantys
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