Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
Minotaur entworfen hatte, aber die Leute hatten sich jedenfalls einiges einfallen lassen, um die Effizienz der Besatzung zu optimieren. Nach fünf Monaten an Bord war er noch immer beeindruckt von dem Ausmaß an Automatisierung, das sie bot. Traditionell waren die Besatzungen von Kampfschiffen um ein Gewaltiges größer als bei Frachtern vergleichbarer Tonnage. Das lag zum einen daran, dass Handelsschiffe innen nichts weiter waren als riesige Hohlräume, die man mit Ladung füllte, während Kampfschiffe vollgepackt waren mit Waffen, Munition, defensiven und offensiven elektronischen Kampfsystemen, Seitenschildgeneratoren, Fusionsnotkraftwerken, größeren Warshawski-Segeln, stärkeren Beta-Emittern und Dutzenden anderer Einrichtungen, die es in Frachtern nicht gab und für die man dort auch keine Bedienungsmannschaften brauchte. Zum anderen aber verließ man sich in Handelsschiffen viel mehr als in Kriegsschiffen auf automatisierte, ferngesteuerte Systeme, um die Besatzungsstärke so klein zu halten wie irgend möglich.
Das hätte man an Bord eines Kriegsschiffs ebenfalls versuchen können, aber man ließ es bleiben. Genauer gesagt, man hatte es bleiben lassen. Die offizielle Begründung lautete, dass große Mannschaften sehr viel Redundanz boten. Wenn das kostbare automatisierte System nämlich einen Treffer abbekam, dann brauchte man ganz altmodische Menschen mit Werkzeugkästen, um es zu reparieren; der Mensch war nach wie vor das beste selbstprogrammierende Bedienungselement. Wenn eine Geschützlafette oder ein entscheidendes Hilfssystem durch einen Treffer vom zentralen Steuernetz abgeschnitten wurde, oder wenn gar das Netz selbst zusammenbrach, dann verfügte ein Kriegsschiff über genügend menschliche Reserven, um vor Ort zu übernehmen und jede Station von Hand zu bedienen.
So lautete, wie gesagt, die offizielle Begründung. Smith indes hatte immer vermutet, dass die Tradition genauso viel damit zu tun hatte. Die Größe der Besatzung hatte immer im Verhältnis zur Tonnage des Kriegsschiffes gestanden, ergo würden große Kriegsschiffe immer große Besatzungen besitzen, weil es eben so war. Selbst in der Royal Manticoran Navy, das hatte er schon längst bemerkt, bevorzugte man es, dass die Dinge vorhersehbar blieben.
Doch nun konnte das Sternenkönigreich es sich nicht mehr leisten, der Tradition um ihrer selbst willen anzuhängen. Smith kannte die Zahlen nicht – normalerweise bat BuPers nämlich nicht die Mechanikermaate, sich die geheimen Stärkenanalysen anzusehen –, aber das brauchte er auch gar nicht, um zu wissen, dass ernsthafte Personalprobleme die Navy plagten. Mittlerweile trugen gut zwanzig Millionen Manticoraner die Uniform der RMN oder des Marinecorps, das war ein offenes Geheimnis; je mehr Planeten die Navy den Havies abjagte, desto mehr Besatzungstruppen musste die Royal Army stellen, und entsprechend wuchs ihr Personalbedarf. Insgesamt mussten mittlerweile gut dreißig Millionen Manticoraner bei den Streitkräften dienen, und das war fast ein Prozent der Gesamtbevölkerung des Sternenkönigreichs.
Ein Prozent klang nicht nach viel … es sei denn, man zog dieses eine Prozent ausgerechnet von den produktivsten Bevölkerungsanteilen ab, während man gleichzeitig ansetzte, einen interstellaren Krieg in einem Maßstab zu führen, wie ihn die Galaxis seit wenigstens vierhundert Jahren nicht mehr erlebt hatte. In diesem Fall war ein Prozent sehr viel, und nur deshalb hatte BuShips am Ende an der Automatisierungsfront dem Druck von BuPers nachgegeben und endlich Maßnahmen zur Senkung des Personalbedarfs getroffen. Einschließlich aller LAC-Besatzungen befanden sich an Bord der Minotaur weniger als zweitausend Menschen, was der Besatzung eines siebenfach kleineren Schlachtkreuzers entsprach. Zwar besaß die Minotaur nicht die übliche Breitseitenarmierung eines Wallschiffs, doch Smith schätzte, dass man auch die Besatzung eines konventionellen Kriegsschiffs um fast sechzig Prozent reduzieren konnte, wenn man beim Bau das gleiche Ausmaß an Fernsteuerung und Automatisierung anwendete. Das konnte nachhaltige Konsequenzen für die Frontstärke der Navy haben.
Smith vermutete, dass dieses Konzept wie jede neue Idee scharfer Kritik ausgesetzt sein würde – das war wohl nur menschlich, und einige Kritikpunkte wären vermutlich sogar fundiert. Die einzigen, die ihn schon im Voraus wirklich verärgerten, waren diejenigen, die darüber jammerten, wie sehr man sich bei diesem Neuentwurf auf die
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