Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
immer angenommen, und nun hatte Giscards Bemerkung einen sehr vorsichtigen Ausdruck in ihre Topasaugen treten lassen.
»Wie kommst du darauf?«, wollte sie wissen.
»Weil er ein Übriges tut, um Geschichten über Zusammenstöße zwischen uns in Umlauf zu bringen, Liebes«, antwortete Giscard und lächelte schwach. »Über Zusammenstöße, die sich niemals zugetragen haben – oder wenigstens nicht ganz so, wie er sie beschreibt: Zusammenstöße, die unterstreichen, welche ›Spannungen‹ zwischen uns herrschen.«
»Du meinst …«
»Ich meine, dass er uns offenbar deckt«, versicherte Giscard ihr. Sie blickte ihm mehrere Sekunden lang in die Augen und kaute mit ihren ebenmäßigen weißen Zähnen auf der Unterlippe, dann seufzte sie und zuckte leicht mit den Achseln.
»Wenn es so ist, bin ich ihm dankbar«, sagte sie unglücklich, »aber dankbarer wäre ich, wenn er es nie erraten hätte. Und mit seinen Geschichten sollte er wirklich sehr vorsichtig sein. Wenn er zu kreativ wird und die Systemsicherheit seine Versionen mit denen eines Informanten vergleicht …«
Sie ließ ihren Satz verebben, und Giscard nickte ernst.
»Du hast natürlich Recht. Ich glaube aber nicht, dass er sich zu Übertreibungen hinreißen lässt. Und vergiss eins nicht – wir beide stellen sehr viele ›Spannungen‹ in unserer offiziellen Beziehung zur Schau. Macintosh … betont diese Spannungen, und ich vermute, die meisten seiner Ausschmückungen könnte man als Übertreibungen abtun, mit denen er größere Wirkung erzielen will. Vielleicht könnte man sogar glauben, er wolle sich auf amateurhafte Weise für einen Job als offizieller Informant andienen.«
»Hm.« Pritchart dachte darüber nach, dann seufzte sie resignierend und lehnte sich an ihn. »Na ja«, sagte sie in entschlossen fröhlicherem Ton, »wenigstens hast du uns diesen Joubert auf brillante Art und Weise vom Hals geschafft, Javier!«
»Ja, das war gut, nicht wahr?«, fragte Giscard recht selbstzufrieden. Zwangsläufig würde die Systemsicherheit feststellen, dass man das, was er getan hatte, nicht anders nennen konnte: Er hatte sich Joubert vom Hals geschafft. Doch andererseits hatte er von Anfang an keinen Zweifel gelassen, dass er ihn nur unter Protest als Stabschef akzeptierte. Obwohl Pritchart energisch Einwände gegen Giscards Entscheidung erhoben hatte, Joubert das Kommando über VFS Shaldon zu übertragen, konnte nicht einmal eine Kommissarin, die im Dienste am Volk so wachsam war wie sie, behaupten, diese Kommandierung bedeute eine Herabsetzung. Niemand konnte damit rechnen, dass Bürger Captain Herndon während der Marschfahrt zum Einsatzziel einer Herzattacke zum Opfer fallen würde. Der Erste Offizier der Shaldon war zu unerfahren, um den Befehl über einen Dreadnought zu übernehmen, dem schwere Kämpfe bevorstanden. Bürger Captain Joubert hingegen brachte sowohl die nötige Erfahrung als auch die angemessene Seniorität für das Kommando mit. Und infolgedessen hatte Bürger Admiral Giscard voll Bedauern auf Jouberts Dienste verzichtet und ihn in Bürger Konteradmiral Darlingtons Kampfgruppe 12.4.2 versetzt, während Bürger Commander Macintosh zusätzlich zu seinen Aufgaben als Operationsoffizier auch die Pflichten des Stabschefs übernahm, und jeder – mit Ausnahme von Bürgerin Kommissar Pritcharts offizieller Person – war entzückt von der Versetzung.
Still lachte er darüber, und Pritchart grinste, denn sie wusste genau, was er dachte; ein weiterer Beweis für ihre unheimlich anmutende Sinnesschärfe. Einen Moment lang drückte er sie fester an sich, dann verfinsterte sich seine Stimmung. Ein Gutes hat es ja, sich über die Reaktion der SyS sorgen zu müssen, wenn sie herausfindet, dass eine uneinsichtige Aprilistin mit der Bewachung eines unzuverlässigen Admirals betraut wurde , dachte er. Der Gedanke an unbedeutende Kleinigkeiten wie den Tod im Gefecht wird dadurch auf sein verdient unerhebliches Gewicht zurückgestutzt!
»Wir sollten gehen«, sagte er leise, und sie drehte sich ihm zu und küsste ihn voll wilder, stiller Verzweiflung, dann standen sie auf und legten einmal mehr die Masken an.
»Er lässt sich auf ein offenes Duell ein«, sagte Bürger Captain Bogdanovich und schüttelte den Kopf.
»Warum auch nicht?«, entgegnete Tourville leise. Sie standen nebeneinander vor dem Hauptplot und blickten, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, hinein. Der Bürger Vizeadmiral zuckte mit den Achseln. »Dank Shannon glaubt er wohl,
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