Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
ihnen so dicht wie möglich nähern und ihnen mit unseren Energiewaffen wenigstens ein paar Wunden beibringen, bevor sie uns ausschalten.« Er rang sich ein bitteres, gepresstes Lächeln ab. »Ich hab’s verpfuscht und werde dieses System verlieren. Ich kann aber nichts mehr tun, um meine Leute aus der Falle zu befreien, in die ich sie geführt habe«, sagte er geradezu ungerührt. »Und da es so ist und nicht anders, da wir so oder so sterben müssen, können wir nur noch versuchen, zumindest ein paar von diesen Hundesöhnen mit in den Untergang zu reißen.«
»Sie ändern den Kurs, Bürger Admiral«, meldete Foraker und musterte sorgfältig den Plot. »Sie kommen uns nun wieder entgegen«, verkündete sie.
»Versuchen, auf Strahlerschussweite heranzukommen«, knurrte Tourville. Er rieb sich über den buschigen Schnurrbart und zuckte mit den Schultern. »Ebenfalls wenden, Karen«, befahl er Bürgerin Commander Löwe. »Sie müssen begriffen haben, wie Shannon sie übertölpelt hat, und heißt es nicht, dass keine List über die Frauenlist gehe?«
Die beiden Verbände näherten sich einander nun mit weit geringerer Geschwindigkeit als zuvor. Kaum war die Entfernung unter sechseinhalb Millionen Kilometer gefallen, eröffneten beide Seiten fast gleichzeitig das Feuer. Konteradmiral Tennards Raketen zuckten hervor und rasten auf das aus Schlachtschiffen bestehende Zentrum von Tourvilles Kampfverband zu. Doch im Gegensatz zu Alice Truman verfügte Tennard über keinen einzigen Prototyp der Geisterreiter-Rakete. Seine Lenkwaffen besaßen zwar eine leicht größere Reichweite und Beschleunigung als die der Volksflotte und zudem überlegene Durchdringungshilfen sowie Zielsucher, doch dieser Vorteil genügte längst nicht, um die zahlenmäßige Unterlegenheit wettzumachen. Selbst mit Unterstützung der Bordraketenwerfer gelang es den Manticoranern, nur zwölfhundert Raketen ins All zu bringen; Lester Tourville und Shannon Foraker antworteten mit sechstausend.
Die beiden Salven durchdrangen einander, und beide Admirale schwenkten ihren Schlachtwall herum, sodass sie sich mit den Breitseiten gegenüberstanden und die verwundbaren Öffnungen der Impellerkeile vom Feind abgewandt waren. Dann eröffneten beide Seiten das Höchstgeschwindigkeitsfeuer aus den Breitseiten-Raketenwerfern.
Die Displays in den Operationszentralen zeigten den Vernichtungssturm, der sich auf beide Seiten zuwälzte, und dennoch war daran etwas Irreales, geradezu Traumartiges. Zu sehen waren nur Lichtpunkte, die feindliche Raketen symbolisierten, nicht aber die Wirklichkeit – noch nicht. Im Moment noch, für noch einige Sekunden, gab es nur die professionelle Anspannung, die schwachen Untertöne dessen, was sie für Furcht gehalten hatten. Zugleich kämpfte tief in ihnen bereits das echte Gefühl darum, sich Gehör und freie Bahn zu verschaffen – alles eingehüllt vom leisen Summen der Ventilatoren, von elektronischem Piepsen, von Hintergrundgemurmel und dem klanglosen Singsang der Taktischen Offiziere.
Diese Sekunden schienen ewig anzudauern, diese letzten Sekunden, bevor die Illusion zerbrach, die Sekunden, in denen geräuschlos die Antiraketen starteten und die Wirklichkeit des Megatonnentodes unerbittlich näherrollte.
Einkommender Beschuss erlosch auf den Plots, als die Antiraketen gewaltige Lücken in die Flutwelle der Vernichtung rissen. Dann eröffneten die Lasercluster das Feuer, dazu die Strahlerlafetten der Breitseiten, und beide Seiten brannten riesige Löcher in die feindlichen Salven. Und doch war dies nicht die Art von Gefecht, das die Royal Manticoran Navy zu führen gewöhnt war. Die Nahbereichsabwehr von KV 12.2 war erheblich besser als alles, was man nach vergangenen Erfahrungen von der Volksflotte erwartet hätte. Das durch solarische Technik verbesserte ECM des Feindes war viel effektiver als gewohnt – und es hatte weit weniger Raketen abzuwehren. Die Antiraketen löschten fast die Hälfte der zwölfhundert Lenkwaffen aus, und die Lasercluster schossen ein Drittel der verbleibenden ab. Kaum vierhundert erreichten Angriffsentfernung, und die Hälfte davon wurde von Täuschkörpern abgelenkt und von Störsendern verwirrt, die insgesamt viel besser waren, als die Besitzer der Raketen erwartet hätten.
Zweihundert Raketen kamen durch die Abwehr, und sie zielten auf dreiunddreißig Schlachtschiffe, doch diese Schlachtschiffe drehten sich auf die Seite in einem ausgezeichnet choreografierten Manöver, das Shannon
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