Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
Brust, ohne die Havenitin aus den Augen zu lassen. McKeon merkte ihr deutlich die Hochachtung an, die sie vor Longmont empfand. Jede andere Person am Konferenztisch war hingegen erstaunt, als Honor nickte.
»Also gut, Bürgerin Admiral«, hatte sie nur gesagt, und damit war es entschieden.
Nun riss sich McKeon von der Erinnerung los, zerrte sich in die Gegenwart zurück und stellte den Stuhl aufrecht. Er begriff durchaus, weshalb Longmont sich trotz ihres Dienstgrads als Vorsitzende des Gerichts disqualifizierte, doch gleichzeitig wusste er, dass die meisten befreiten Gefangenen auf dem Planeten ebenso überrascht gewesen waren wie Commodore Simmons, als sie ihr Versprechen Honor gegenüber einhielt. Sie war hart, skeptisch und ließ sich nur schwer überzeugen, doch wenn es dem Ankläger gelang, so verhängte sie wenn nötig auch die Todesstrafe.
»Also gut«, brach McKeon das Schweigen, »wer möchte heute den Ball ins Rollen bringen?« Als niemand antwortete, blickte er Captain Gonsalves an. »Cynthia?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, antwortete die dunkelhäutige Alto-Verdanerin nach einem Augenblick. Sie warf Longmont einen Seitenblick zu, und McKeon musste ein ironisches Lächeln unterdrücken. Merkwürdig, doch sie alle benutzten die einzige Havenitin im Gericht als eine Art ethischen Prüfstein. Zum großen Teil war dies darauf zurückzuführen, dass sie ihre Integrität mehr als ausreichend unter Beweis gestellt hatte, und doch stand noch mehr dahinter: Am Ende hatten sie alle begriffen, in welch zwiespältige Position sich Longmont offenen Auges begeben hatte. Wenn sie in der Lage war, diese Pflicht aus einem Gefühl der moralischen Verantwortung heraus zu leisten, dann wollte sich keiner der anderen im Vergleich mit ihr als wertloser erweisen.
Longmont und Honor haben einiges gemeinsam , sann er nicht zum ersten Mal. Insbesondere darin, wie sie uns andere dazu bringen, ihren Standards zu folgen, indem sie einfach davon ausgehen, dass wir es tun werden – und dann bauen sie sich auf, kucken uns an und warten ab, als wollten sie sagen: ›Na los! Wagt es nur, mich zu enttäuschen!‹ »Die Beweislage der Geschehnisse in Alpha-Elf ist recht eindeutig«, fuhr Gonsalves bedrückt fort, »aber die Dokumentation der Vorfälle hier auf Styx ist zu lückenhaft, als dass ich glücklich damit wäre, Sir.«
»Wir haben Zeugenaussagen von Jerome, Lister und Veracruz, Captain«, hielt Hurston ihr entgegen. »Sie alle sahen, wie Mangrum Lieutenant Weiller befahl, an Bord des Shuttles zu gehen. Zudem hat Mangrum eingestanden, sie zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Damit ist immerhin der Straftatbestand der Vergewaltigung erfüllt. Und zwo der anderen Sklaven bezeugen, dass er es ist, der sie getötet hat.«
»Das haben sie ausgesagt«, stellte Commodore Simmons fest, »doch Mangrums Verteidiger hat sehr überzeugend dargelegt, wie voreingenommen die Zeugen gegen den Angeklagten sind. Glauben Sie nur nicht, dass ich den beiden das verüble – an ihrer Stelle wäre ich ebenfalls verdammt voreingenommen und würde mein Bestes tun, um ihn an den Galgen zu bringen. Doch dass wir mit ihnen fühlen, enthebt uns nicht unserer Pflicht zu klären, inwiefern ihre Voreingenommenheit sie zu Falschaussagen verleitet.«
»Das meine ich auch.« Gonsalves nickte betrübt und wandte sich Hurston zu. »Ich stimme mit Ihnen überein, dass die Vergewaltigung eindeutig erwiesen ist, Commander. Doch nach havenitischem Militärstrafrecht stellt Vergewaltigung nur dann ein todeswürdiges Verbrechen dar, wenn dabei tatsächlich körperliche Gewalt zur Anwendung gekommen ist und nicht nur angedroht wurde. Mord ist natürlich ein Verbrechen, das die Todesstrafe zur Folge hat, doch wir haben weder einen greifbaren Beweis, auf den sich diese Anklage stützte, noch eine Aufzeichnung. Was das angeht, so sind sich nicht einmal die Ex-Sklaven, die ihn des Mordes bezichtigen, darin einig, ob Mangrum an Lieutenant Weiller eine Vergewaltigung begangen hat, wie sie vom Militärstrafgesetzbuch definiert wird. Die Frau – Hedges – sagt aus, Weillers Gesicht sei grün und blau geschlagen gewesen, und dass sie …« Sie gab einen Befehl in ihr Memopad, um mit den darin gespeicherten Daten ihr Gedächtnis aufzufrischen, und las vor: »›Am nächsten Tag hinkte sie stark.‹ Doch auch Hedges gibt zu: ›Sie wollte nicht darüber reden, was der Mistkerl ihr angetan hatte.‹«
Gonsalves zuckte unzufrieden mit den Schultern, und McKeon
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