Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
in solch unmäßigem Ton zu kritisieren, stellte nach den Dienstvorschriften der RMN ein schweres Vergehen dar. Zumindest würde es als Insubordination gewertet werden – im schlimmsten Fall jedoch als Versuch, die Befehlskette zu untergraben. Honor war sich bewusst, dass sie nun eigentlich einschreiten musste. Doch nach wie vor war Styles der zweithöchste alliierte Offizier auf Hell, und eine Entzweiung konnten sie sich zurzeit einfach nicht leisten. Also biss sie innerlich die Zähne zusammen und versuchte, vernünftig mit ihm zu sprechen, ganz so, als besäße er ein funktionierendes Gehirn und wäre sogar willens, es zu benutzen.
»Risiko hin oder her, ich glaube einfach nicht, dass die Allianz es unter den gegeben Umständen rechtfertigen könnte, eine Kampfeinheit so weit hinter die Front zu senden, zumindest keine Einheit, die stark genug ist, um uns alle von diesem Planeten abzuholen. Selbst wenn wir voraussetzen, dass es seit Commander Ainspans Gefangennahme keine weiteren Angriffe auf alliierte Sonnensysteme gegeben hat, so muss die Drohung solcher Attacken doch alle strategischen Erwägungen über den Haufen geworfen haben. Berücksichtigt man die unausweichlichen Signalverzögerungen, dann wissen die Vereinten Chefs der Stäbe und die Admiralität vermutlich noch immer nicht, wo genau sich manche ihrer Schiffe im Moment befinden! Und selbst wenn beschlossen würde, die Kernsysteme entblößen zu können, um uns eine Rettungsexpedition zu schicken, wäre es geradezu verbrecherisch von uns, darum zu bitten.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Admiral Styles. Wir müssen aus eigener Kraft unser Bestes tun, und das bedeutet, dass ich die Krashnark auf keinen Fall mit einem Hilferuf davonschicken kann.«
»Das ist nur Ihre Meinung«, erwiderte Styles, »und ich möchte doch vorschlagen, dass Sie höheren Stellen die Entscheidung überlassen, was die Allianz kann und was nicht.
Und gestatten Sie mir den Hinweis – nur für den Fall, dass es Ihnen entgangen sein sollte: Wir geben vermutlich unsere einzige Chance auf, wenigstens ein paar von uns von diesem Planeten zu retten, wenn wir die Krashnark hier behalten! Wenn wir sie ausräumen und ihr Lebenserhaltungssystem bis zum Anschlag belasten, könnten wir vierzig Prozent der Menschen rausbringen, die sich gegenwärtig auf Styx befinden. Das ist doch vernünftiger als das Risiko in Kauf zu nehmen, dass die SyS uns am Ende alle wieder aufs Neue kassiert!«
»Und welche vierzig Prozent würden Sie vorschlagen herauszubringen, Admiral?«, erkundigte sich Alistair McKeon. Die anderen Offiziere – Ramirez, Simmons, Benson, Gonsalves, Marchant und Caslet – starrten teilnahmslos vor sich hin, und bei McKeons Frage trat noch mehr Unbehagen in ihre Gesichter. Keiner von ihnen war Manticoraner, jeder von ihnen bekleidete jedoch einen niedrigeren Rang als Styles, und ausnahmslos wirkten sie wie Freunde der Familie, die nach Kräften versuchen, sich aus einem häuslichen Streit herauszuhalten. Andererseits hatten sie alle weitaus engere Bekanntschaft mit Styles gemacht, als ihnen lieb war. Wie McKeon wussten sie, welche vierzig Prozent der achtzigtausend Menschen, die gegenwärtig auf Styx lebten, Styles für die Evakuierung vorschlagen würde. Schließlich und endlich gehörten zufällig annähernd vierzig Prozent der Gefangenen auf Styx der einen oder anderen alliierten Streitkraft an – genauso wie etwa vierzig Prozent der Menschen im Konferenzraum.
Doch so wütend und verängstigt er auch sein mochte, der Herr Konteradmiral schien nicht willens, seine Absichten so offen auszusprechen.
»Das kann man aus dem Stegreif doch nicht sagen«, behauptete er stattdessen. »Offensichtlich muss eine Auswahlprozedur festgelegt werden. Worum es mir geht: Wir könnten wenigstens vierzig Prozent – wer auch immer dazu gehört – in Sicherheit bringen und gleichzeitig vorgesetzte Stellen von unserer Situation informieren. Angesichts dessen ist es doch wohl der Gipfel der Verantwortungslosigkeit, auch nur in Erwägung zu ziehen, die Krashnark hier zu behalten! Und außerdem« – er nahm seine Augen gerade lang genug von McKeon, um Honor mit einem geringschätzigen Blick zu streifen, doch wirkte es ganz so, als spreche er weiterhin nur mit McKeon – »außerdem vermute ich, dass es über bloße Verantwortungslosigkeit hinausgeht und eher als kriminelle Pflichtvergessenheit einzu …«
»Nun reicht es, Admiral Styles.«
Honors Stimme war umgeschlagen. Im Gegensatz zu
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