Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
zufolge, die er ausstrahlte, war er im Augenblick körperlich wohl nicht in der Lage, seine Stimmbänder zur Mitarbeit zu bewegen, und Honor hielt eisern ihren Mund unter Kontrolle, damit sie ihn nicht vor Abscheu verzog. Dann blickte sie LaFollet an.
»Sie haben Ihre Befehle, Major«, sagte sie ruhig, und der Waffenträger nickte und trat von Styles zurück. Der Waffenlauf zuckte befehlend, und Styles rappelte sich auf, als wäre die Waffe ein Zauberstab und hätte einen Bann der Schwerelosigkeit über ihn gelegt. Unfähig, den Blick vom unerbittlichen Gesicht des Graysons abzuwenden, starrte er LaFollet an und schluckte mühsam, als er die Verachtung sah, die zu zeigen dem Major zuvor die Disziplin untersagt hatte. Eins wurde Harold Styles in diesem Augenblick klar: Was er von allen denkbaren Dingen zuallerletzt tun sollte, war, diesem graysonitischen Waffenträger auch nur den unbedeutendsten Anlass zu liefern, seinem drängendsten Wunsch nachzugeben.
»Nach Ihnen, Admiral«, sagte der Major und wies mit einer Kopfbewegung auf die Tür. Styles fiel es schwer, den Blick von ihm zu lösen; als es ihm schließlich doch gelang, sah er sich noch einmal im Raum um. Auf jedem Gesicht erkannte er unbeirrte Unterstützung für Honor, und das Leben schien aus ihm zu weichen. Wortlos drehte er sich um und schlurfte hinaus. LaFollet folgte ihm und schloss leise hinter sich die Tür.
»Ich möchte mich für diesen unerfreulichen Zwischenfall entschuldigen«, sagte Honor. »Hätte ich mich diesem Problern schon früher gestellt, wäre es zu dieser unwürdigen Auseinandersetzung wohl nicht gekommen.«
»Eine Entschuldigung ist wohl kaum erforderlich, Admiral Harrington.« Unaufdringlich betonte Ramirez ihren Dienstgrad. »Jede Streitkraft dieser Galaxis hat ihr Kontingent an Idioten, die es geschafft haben, auf einen Rang befördert zu werden, dem sie nicht gewachsen sind.«
»Vielleicht.« Honor holte tief Luft. Nun, da LaFollet Styles abgeführt hatte, schämte sie sich mehr als nur ein wenig. Was Ramirez auch sagte, sie wusste, dass sie die Krise gekonnter hätte bewältigen sollen. Sie hätte Styles schon nach einem Dutzend früherer, weit weniger bösartiger Auseinandersetzungen unter Stubenarrest stellen sollen. Sie hätte es niemals so weit kommen lassen und ihn auch nicht vor Zuschauern derart demütigen dürfen, und sie fragte sich, ob sie es etwa absichtlich darauf hatte ankommen lassen. Schließlich wusste sie sehr gut, dass sie schon seit längerem davon träumte, Styles wie einen Wurm zu zerquetschen. Hatte sie unbewusst immer auf die Gelegenheit gehofft, ihn zu zermalmen? Schließlich wusste sie, dass diese Gelegenheit irgendwann kommen musste, wenn sie dem Mann nur genügend Spielraum ließ. Sie wusste es nicht – aber sie vermutete, dass ihr die Wahrheit nicht gefallen hatte, wenn jemand sie ihr auf den Kopf zu gesagt hätte. Sie schloss die Augen, atmete tief durch und zwang sich, nicht mehr an das Schicksal zu denken, das Styles auf sich herabbeschworen hatte. Irgendwann müsste sie sich damit befassen, denn sie hatte jedes einzelne Wort ernst gemeint. Worin ihre Beweggründe auch bestanden, sein Verhalten konnte sie ihm nicht durchgehen lassen und hatte mehr als genug Zeugen – nicht nur vom letzten Vorfall, sondern auch von zahlreichen früheren Episoden –, um dafür zu sorgen, dass seine Karriere ein für allemal zu Ende war. Angesichts des Umstands, dass es ihn so lange nach Hell verschlagen hatte, würde die Judge Advocate General vielleicht sogar auf eine Anklage verzichten, wenn er dafür den Dienst quittierte, doch auf jeden Fall standen Styles Ungnade, Entehrung und Ruin bevor. Davon durfte sich Honor nun nicht beeinflussen lassen, und als sie die Augen wieder öffnete, war ihr Gesicht völlig ruhig.
»Was immer ich persönlich von Styles halte«, sagte sie, »er hat zumindest zwo zutreffende Behauptungen gemacht. Wenn ich die Krashnark hier behalte, verzichte ich auf die Chance, der Allianz die Situation auf Hell klarzumachen. Ich kann mich irren, was die Fähigkeit und Bereitschaft angeht, Kräfte zu unserer Bergung abzustellen. Selbst wenn ich Recht habe, treffe ich durch mein Handeln im Endeffekt eine Entscheidung, die nur höhere Stellen fällen können, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, sie abzuwägen. Ferner hat Styles Recht, wenn er sagt, dass ich uns mit meiner Entscheidung die Möglichkeit nehme, zwo- bis dreitausend Menschen in Sicherheit zu bringen.«
»Darf ich, Mylady?«
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