Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
infrage stellte, dann mussten auch ihr Vater und ihre Mutter es gesehen …
»In einem gewissen Sinne«, wiederholte Ramirez. Seine Stimme riss Honor aus der grauenvollen Vorstellung, wie ihre Eltern im HD die Hinrichtung ihrer eigenen Tochter sahen, und sie empfand Ramirez gegenüber eine Dankbarkeit, die so stark war, dass sie fast schmerzte. Honor klammerte sich an seine Worte und nutzte sie als Schild gegen die Vorstellung, wie ihre Mutter und – ganz besonders! – ihr Vater auf die Bilder wahrscheinlich reagiert hatten. Mit einem steifen Nicken forderte sie ihn auf weiterzusprechen.
»Von der Tepes haben Sie also nichts gehört, ist das richtig, Commander?«, wandte sich der Martino an Ainspan, und der Manticoraner schüttelte den Kopf. »Das wird wohl die Erklärung sein, Honor«, sagte Ramirez. »Die Havies hielten und halten Sie für tot, ebenso Alistair und alle anderen, die bei Ihnen waren und somit die offizielle Version der Geschehnisse hätten widerlegen können. Und die Havies waren einfach nicht bereit zuzugeben, dass zwanzig oder dreißig Kriegsgefangene sich aus dem Gewahrsam der SyS befreien und dabei auch noch einen Schlachtkreuzer komplett vernichten konnten! Selbst wenn die Havies behauptet hätten, den Shuttle abgeschossen zu haben, in dem Sie flohen, hätten sie noch immer äußerst schlecht ausgesehen – besonders, weil diese Ransom an Bord der Tepes gestorben ist. Also beschloss man, alles unter den Teppich zu kehren und der Ordnung halber Ihre Hinrichtung zu fälschen. Denn Haven hatte sich ja bereits damit gebrüstet, genau das vorzuhaben, und außerdem beugte man so jeder weiteren Frage nach Ihrem Verbleib vor. Natürlich mussten die Havies trotzdem noch erklären, was aus Ransom und ihrem Schiff geworden war, deshalb gab man ihren Tod bekannt, nachdem man Zeit hatte, um zu entscheiden, wie man damit umgehen sollte. Und nachdem genügend Zeit verstrichen war, sodass niemand Ransoms und Ihren Tod miteinander in Verbindung bringen würde …« Er schnaubte verächtlich. »Ob unter den Legislaturisten oder dieser ›Neuen Ordnung‹, im Denken der Öffentlichen Information scheint sich nicht viel geändert zu haben.«
»Hm.« Honor hielt den Blick auf sein Gesicht gerichtet und nickte schließlich ein wenig entkrampfter. Ja, auf eine sehr verdrehte, geradezu irrsinnige Weise leuchtete Ramirez’ Erklärung ihr tatsächlich ein. Darauf hätte sie selber kommen sollen. Gleichzeitig wusste sie, weshalb es ihr nicht möglich gewesen war, und streckte den Arm aus und zog Nimitz zu sich, als der ‘Kater über den Tisch zu ihr kam. Sie drückte ihn sich an die Brust und nutzte enger als gewöhnlich den Trost, der ihr über die emphatische Verbindung zuteil wurde, dann zwang sie sich, jeden Gedanken an ihre Eltern zunächst beiseite zu schieben. Als sie sich Ainspan zuwandte, gelang es ihr, ein gezwungenes Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern.
»Wie Sie sehen, waren die Nachrichten über meinen Tod stark übertrieben, Commander. Das ist jedoch nicht so wichtig wie die andere Neuigkeit, die Sie erwähnten. Was genau ist im Sansibar-System geschehen?«
»Die Havies haben uns auf ganzer Linie in die Pfanne gehauen, Mylady«, antwortete Ainspan bitter. Auch er schien nun den anfänglichen Schlag überwunden zu haben, sie lebend vorzufinden, doch zog er daraus keine Erleichterung; seine pechschwarzen Gefühle drangen auf Honor ein. »Der havenitische Kommandeur – ihrer Propaganda zufolge Tourville, der Hundesohn, der die Prince Adrian erwischt hat – rieb unsere Wachverbände völlig auf, marschierte ein und vernichtete, wie Commander Metcalf schon sagte, die gesamte Weltraum-Infrastruktur des Systems. Und als er fertig war, sprang er nach Alizon und tat dort das Gleiche!«
»Herr im Himmel!«, keuchte McKeon, und Honor musste darum kämpfen, sich ihr Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Das fiel ihr schwer – zumal sie noch immer Ainspans Gefühle empfing.
»Warum habe ich den Eindruck, dass das noch nicht alles ist, Commander?«, fragte sie gepresst.
»Weil noch mehr kommt, Mylady«, antwortete Ainspan genauso angespannt. »Auch Hancock und Seaford Neun wurden angegriffen. Was bei Hancock geschehen ist, weiß ich nicht, aber ich vermute, dass die Havies dort den Kopf gewaschen kriegten. Ich bin nämlich keinem einzigen Manticoraner begegnet, der dort in Gefangenschaft geraten wäre, und die Havies machten in der Propaganda zwar ein großes Aufhebens von den vielen Schiffen, die sie dort
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