Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
Styles sprach sie kühl und gelassen, fast im normalen Gesprächston, doch als Andrew LaFollet sie hörte, verzog er das Gesicht zu einem eisigen Grinsen. Der Waffenträger stand hinter Honor an der Wand. Obwohl ihm nichts entging, verhielt er sich so unauffällig, dass nach all diesen Wochen eigentlich niemandem seine Anwesenheit auffiel. Erwartungsvoll musterte er Styles’ Cholerikergesicht. Seine Gutsherrin hatte sich von diesem großmäuligen Idioten schon viel zu viel gefallen lassen, und nun flehte LaFollet den Konteradmiral still an, er möge ihren Tonfall und ihr Verhalten doch falsch verstehen.
»Ich bitte um Verzeihung, Admiral Harrington, aber es reicht nicht!«, fuhr Styles sie an, und ein zufriedenes Lächeln breitete sich um LaFollets Mundwinkel aus. Der Idiot hatte sie also wirklich missverstanden und hielt ihre Gleichmut allen Ernstes für ein gutes Zeichen. Vielleicht deutete er ihr Verhalten auch als Unsicherheit, die sie hinter einer Maske der Gelassenheit zu verbergen suchte. Oder er glaubte, am Ende doch noch einen Vorwand gefunden zu haben, ihre Autorität vor den Augen ihrer Untergeben zu seinem eigenen Vorteil zu untergraben.
»Ich habe bereits zahlreiche Ihrer Entscheidungen hier auf Hades als unklug infrage gestellt«, fuhr er fort, »nun aber schießen Sie über mangelnde Klugheit hinaus und begeben sich in den Bereich des Wahnwitzes! Ich habe Ihre Befehlsgewalt akzeptiert, obwohl mir Ihre angebliche Seniorität in einer nicht-manticoranischen Raumstreitkraft mehr als – sonderbar erscheint. Ihr gegenwärtiges Verhalten aber lässt mich die Weisheit meiner damaligen Entscheidung bezweifeln. Welchen Rang Sie augenblicklich nun wirklich einnehmen – und es sei dahingestellt, ob es überhaupt legal ist, in zwei verschiedenen Navys gleichzeitig Patente innezuhaben –, diese Entscheidung beweist unwiderlegbar, dass es Ihnen für den Rang, den Sie in Anspruch nehmen, an der nötigen Erfahrung mangelt!«
McKeon hatte Anstalten gemacht, sich wütend von seinem Stuhl zu erheben, als Styles mit der Tirade begann. Nun setzte er sich zurück und maß den Konteradmiral mit der gleichen gebannten Faszination, mit der Menschen zwei Bodenwagen beobachten, die auf vereister Straße steuerlos aufeinander zuschlittern.
Honor saß auf dem Stuhl neben ihm, ohne sich zu regen, und musterte ihn, die Hand flach vor sich auf den Tisch gelegt, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Ihr Gesicht war völlig unbewegt – abgesehen von dem schwachen Zucken ihres rechten Mundwinkels, das mit der Regelmäßigkeit eines Metronoms erfolgte. Nimitz hatte sich auf seiner Sitzstange geduckt und verharrte ebenso reglos wie sie – nur die äußerste Spitze seines Schweifes zuckte in genau dem gleichen Rhythmus wie Honors Mundwinkel.
McKeon wandte den Blick gerade lang genug von ihr ab, um die anderen Offiziere anzusehen, und was er sah, beruhigte ihn. Keiner von ihnen konnte begreifen, weshalb Honor diesen Styles nicht schon längst zerschmettert hatte. Und während sich keiner von ihnen in eine Auseinandersetzung zwischen ihr und einem Flaggoffizier ihrer Navy verwickeln lassen wollte – genauer gesagt, einem Offizier einer ihrer Navys –, waren sie rückhaltlos bereit, sie gegen diesen Mann zu unterstützen. McKeon stimmte durchaus mit ihnen überein, dass Honor diesen Widerling schon beim ersten Mal, da er seine Grenzen überschritt, zur Schnecke hätte machen sollen, doch er wusste von allen Anwesenden am besten, dass dies nicht ihre Art gewesen wäre. Manchmal – wie etwa vor recht langer Zeit im Falle eines gewissen Lieutenant Commander McKeon – war das eine gute Sache. Diesmal aber hatte sie seiner Ansicht nach zu lange gewartet, und mit einer Vorfreude, in der er LaFollet sehr ähnelte, verfolgte er, wie Styles sich ausließ.
»Ich gestehe Ihnen durchaus zu, dass Sie der Meinung sind, das Richtige zu tun und sich nach Kräften um eine Lösung bemühen«, fuhr der manticoranische Admiral fort. Aus seiner Stimme quoll Hohn – vernichtende Geringschätzung, in die sich ein Quäntchen Lob mischte. »Trotzdem lehrt die Erfahrung, an der es Ihnen mangelt, wie man die Grenzen des Machbaren erkennt. Das, und auch die wahre Natur der Pflicht! Ihre vornehmliche Pflicht als Offizier der Königin best …«
»Sie haben mich wohl nicht verstanden, Admiral Styles«, unterbrach Honor ihn mit gleichbleibend beiläufiger Stimme. Ihrer Körpersprache zufolge war sie völlig entspannt. »Ich sagte, es reicht. Ich habe genug
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