Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
gehört. Zum allerletzten Mal erinnere ich Sie an die Strafe, die in den Kriegsartikeln für Insubordination vorgesehen ist.«
» Insubordination? « Styles blickte sie wütend an; das unheilverkündende Funkeln in ihrem Auge schien er nicht zu beachten. »Es ist keine ›Insubordination‹, wenn man einen enorm unerfahrenen Offizier wie Sie darauf hinweist, dass seine Auffassung von Pflicht und eigener Wichtigkeit mit der Realität offensichtlich nicht das Geringste zu tun –«
» Major LaFollet! « Aus Honors Stimme war die Gelassenheit verschwunden. Ihre Stimme war nun vielmehr wie eine Klinge aus gekühltem Stahl, die Styles’ hitzigen, feindseligen Bombast wie ein Schwerthieb zerschnitt.
»Zu Befehl, Mylady?« LaFollet nahm Haltung an.
»Sind Sie bewaffnet, Major?«, fragte sie, ohne den stählernen Blick von Styles’ tiefrotem Gesicht abzuwenden.
»Das bin ich, Mylady«, antwortete der Waffenträger zackig.
»Sehr gut.« Ihr rechter Mundwinkel hob sich zu einem dünnen, gefährlichen Lächeln. Als Styles endlich ins Bewusstsein sickerte, dass sie sich von seinem Gepolter keine Sekunde lang hatte einschüchtern lassen, weitete er langsam die Augen. LaFollet hatte sich bereits in Bewegung gesetzt und kam um den Tisch, denn er ahnte bereits den Befehl, den er erhalten würde. Selbst das bemerkte der Konteradmiral nicht. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch dazu war es bereits zu spät.
»Nehmen Sie Konteradmiral Styles fest«, befahl Honor dem Major mit eisiger Stimme. »Schaffen Sie ihn von hier unverzüglich ins Arrestlokal. Dort bleibt er in strenger Haft. Ein Halt in seinem Quartier ist ihm nicht gestattet. Auf dem Weg zu seiner Zelle ist ihm jeder Kontakt mit einem Außenstehenden untersagt.«
»Das ist doch wohl grotesk! – eine Ungeheuerlichkeit!« Styles sprang auf und beugte sich drohend zu Honor vor, doch mitten in der Bewegung stockte er gezwungenermaßen mit einem Gurgeln, denn LaFollet packte ihn mit der linken Hand von hinten am Kragen. Zwar glaubte der Major ebenso wenig wie jeder andere im Raum, dass Styles den Mut besaß, seine Gutsherrin körperlich anzugreifen – doch das interessierte ihn kaum. Der Vorwand, den Styles ihm lieferte, kam ihm einfach zu sehr zupass, um die Gelegenheit ungenutzt verstreichen zu lassen. Er war gute fünf Zentimeter kleiner als Styles, aber sein Körper bestand nur aus drahtigen Muskeln und schweren Knochen. Mit der ganzen Kraft seiner Schultern und seines Rückens riss er den Flaggoffizier zurück und wirbelte ihn herum.
Am äußersten Punkt des Schwunges ließ LaFollet ihn los. Styles schlug mit den Armen um sich, als wären es Windmühlenflügel. Er segelte durch die Luft und landete mit einem Schmerzenslaut auf dem Rücken, dann rutschte er über den Boden, bis er mit dem Kopf gegen die Wand prallte und zum Stillstand kam. Einen Moment lang blieb er wie betäubt liegen, dann blinzelte er und wollte aufstehen – doch er gefror mitten in der Bewegung, denn er blickte in die Mündung des Pulsers, mit dem LaFollet aus weniger als zwei Metern Entfernung auf ihn zielte.
Styles riss die Augen auf. Langsam wanderte sein Blick über den Arm des Graysons bis in sein Gesicht, und ihm schien das Herz stehen zu bleiben, als er begriff, dass LaFollet ohne jede Einschränkung bereit war, den Abzug zu ziehen.
»Ihre ungeheuerliche Insubordination, Inkompetenz, Feigheit, Aufsässigkeit und Respektlosigkeit habe ich bis an den Punkt toleriert, bis zu dem ich sie zu tolerieren beabsichtigte, Admiral Styles«, sagte Honor kühl. »Ich habe Sie unzählige Male verwarnt, und Sie haben sich beharrlich geweigert, Ihr Verhalten zu ändern, obwohl ich Sie wiederholt darauf hinwies, dass meine Geduld Grenzen hat. Also gut. Eine weitere Warnung erhalten Sie nicht. Major LaFollet wird Sie nun in Ihre Zelle bringen, wo man Sie unter strenger Haft einbehält, bis offiziell vor einem Kriegsgericht Ihrer Majestät Navy Anklage gegen Sie erhoben wird. Ich zweifle nicht daran, dass der Klage stattgegeben wird – und Sie wissen genauso gut wie ich, welche Strafe Sie zu erwarten haben.«
Styles schien in sich zusammenzuschrumpfen, und sein gewöhnlich dunkles Gesicht nahm ein kränkliches Kleistergrau an. Honor musterte ihn mit der Leidenschaftslosigkeit, mit der ein Wissenschaftler ein besonders abstoßendes neues Bakterium untersucht. Sie ließ ihm Zeit für eine Antwort, sollte er dumm genug sein, sich noch tiefer hineinzureiten, doch er sagte kein Wort. Den Gefühlen
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