Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
von uns allen wissen Sie am meisten über die Schiffe und ihre Handhabung. Ich glaube bestimmt dass wir alle in den nächsten Tagen sehr viele spezifische Fragen an Sie richten werden, und wenn Ihnen etwas einfällt, das ein hörenswerter Vorschlag wäre – ganz egal was –, dann zögern Sie nicht, ihn vorzubringen.«
»Jawohl, Ma’am.« Er gab das Lächeln zurück, und Honor empfand tiefe Zufriedenheit, als sie spürte, wie seine Gefühlslage sich verändert hatte. Die Seelenqualen, die seine ›Desertion‹ ihm zunächst bereitet hatte, waren schwächer geworden, wenngleich nicht verschwunden. Ganz vergehen würden sie vermutlich nie, denn Caslet war ein ehrenwerter, grundanständiger Mensch. Er musste mit sich ins Reine kommen und seine Gewissensbisse als den Preis akzeptieren, den er dafür zahlte, dass er nach eigenem Ermessen das Richtige tat. Sie spürte, wie bereit er war, sich dieser Herausforderung zu stellen.
Admiral Lady Dame Honor Harrington ließ den Blick ein letztes Mal über die Runde schweifen. Der ganze Plan war natürlich Wahnsinn – aber das war nichts Neues. Und verrückt oder nicht, sie waren schon so weit gekommen.
Ja, so weit habe ich sie schon gebracht , dachte sie, und bei Gott, ich bringe jeden Einzelnen von ihnen nach Hause!
»Also gut, Herrschaften«, sagte sie heiter, »dann wollen wir mal.«
45
Bürger Lieutenant Commander Heathrow atmete auf und lehnte sich in den Kommandosessel zurück, denn Lois, der einzige bewohnte Planet des Clark-Systems, fiel achteraus zurück. Es hatte ihm ganz und gar nicht gefallen, mit Bürger Colonel White umzugehen, dem hiesigen Systembefehlshaber der SyS, doch glücklicherweise gab es auf Lois auch noch andere Menschen. Vor allem besaß Lois die vielleicht schönsten Strände in der ganzen Volksrepublik. Heathrow und seine Crew waren auf traditionelle Manier von Bürger Captain Olson willkommen geheißen worden, dem Kommandeur des kleinen Patrouillenverbands, und die Schiffstechnische Abteilung hatte einen sehr kreativen Schadensbericht vorgelegt, der es der Besatzung und ihm gestattete, einen weiteren Dreiundzwanzig-Stunden-Tag in Sand und Sonne zu verbringen.
Manchmal hat der Kurierdienst eben doch seine Vorteile , dachte er zufrieden.
Dann schnaubte er. Na klar. ›Komm zur Volksflotte und sieh die Galaxis!‹ Das gilt für die Kurierbootcrews vermutlich mehr als für jeden anderen, wenn ich’s recht bedenke!
Er gluckste leise und stellte den Sessel wieder aufrecht.
Sein Kopf wandte sich dem nächsten Bestimmungsort zu, und er seufzte. Auf den Stopp im Danak-System freute er sich nicht im Geringsten. Im Clark-System gab es nur eine relativ kleine SyS-Abteilung, die hauptsächlich reguläre Polizeiarbeit verrichtete. Heathrow vermutete, dass die warme, träge Ruhe auf Lois auch die SyS-Abteilung infiziert habe. Die Volksflottenangehörigen im System waren zackig und effizient, solange sie Schiffe oder die Orbitalbasis des Systemhauptquartiers bemannten, doch sobald sie auf die Planetenoberfläche kamen, neigten sie sehr dazu, die Lebensweise der Einheimischen anzunehmen, und alle Zackigkeit verging in einer Art weltumspannender Surferkultur. Für die SyS schien das Gleiche zu gelten.
Im Danak-System war es jedoch anders – nicht nur wegen des Wetters. Gewiss, Danak Alpha, der bewohnte der erdähnlichen Zwillingsplaneten, war von seinem kühleren G8-Stern weiter entfernt als Lois von der G1-Sonne Clark. Dadurch lag seine Durchschnittstemperatur stets niedriger, und die rege vulkanische Aktivität in vielen Regionen des Planeten schlug sich deutlich im Wetter nieder und verfärbte die Atmosphäre, die Wolken und den Regen. Trotzdem war es dort noch angenehmer als auf Danak Beta. Diese Welt war nur technisch gesehen bewohnbar, und soweit Heathrow wusste, hatte noch nie jemand ein besonderes Verlangen geäußert, sie zu besuchen, geschweige denn, dort zu leben.
Im Gegensatz zu Clark war Danak seit vierhundert Jahren besiedelt; war Lois eine Urlaubswelt gewesen und hatte vor der Anektion durch Haven vom Tourismus gelebt, so besaß Danak seit mehr als zwei T-Jahrhunderten Schwerindustrie. Gegenwärtig näherte sich die Systembevölkerung der 4-Milliarden-Schwelle, eine erstaunlich hohe Zahl für ein System, das so dicht an der Grenze lag. Zusammengenommen besaß das System deswegen für die Machthaber der Volksrepublik große Bedeutung, so elend es sich auf Danak Alpha auch lebte und so mürrisch die Leute, die man hierher
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