Honor Harrington Bd. 16
sie umso ärgerlicher. Sie entdeckte weder Hinweise auf einen Hinterhalt, noch gab es einen logischen Grund, eine Falle zu befürchten. Sorgen machte sie sich schlichtweg wegen ihrer emotionalen Reaktion auf diesen Mann.
Wieso ?, fragte sie sich erneut. Auf den ersten Blick wirkte Cachat nicht sonderlich attraktiv. Gewiss, er hatte eine gute Figur und war vermutlich muskulöser, als es den Anschein hatte. Sonderlich beeindruckend fand Thandi ihn aber nicht. Warum auch? In der hiesigen Sporthalle, in der Thandi regelmäßig trainierte, brachte sie Männer regelmäßig zum Erbleichen. Einmal war sie einen Kerl, der sie dort belästigte, dadurch losgeworden, dass sie auf der Bank einhundertfünfzig Kilogramm stemmte. Nicht einmal etwa - sondern zehnmal. Als sie fertig war, hatte sie noch nicht einmal besonders geschwitzt.
Wer die Menschenvariante noch nicht kannte, die sich auf den Höllenwelten Mfcanes entwickelt hatte, zeigte sich oft entsetzt, wenn er bemerkte, dass er jemandem begegnet war, der die Körperkraft eines Ogers besaß - ohne mit den ungeschlachten Reflexen eines solchen menschenfressenden Riesen geschlagen zu sein. Thandi betrachtete ihre Vorfahren als einen Haufen rassistischer Idioten, doch sie konnte nicht abstreiten, dass ihr Vorhaben zumindest in Bezug auf die Physis von Erfolg gekrönt gewesen war. Ihr Sonderkommando war entsetzt gewesen, als es bemerken musste, dass es mit seinen »übermenschlichem Eigenschaften nicht einmal ansatzweise an Thandi heranreichte.
Cachat sah auch nicht gut aus. Gewiss, hässlich war er auch nicht. Doch sein eckiges Gesicht mit den ernsten Zügen verlockte kaum die Werbeagenturen, ihn auf ein paar Holositzungen zu sich zu bitten. Es sei denn natürlich, jemand wollte für eine missionarische Sekte rekrutieren. Eiferer gesucht. Jung und sauber rasiert; grimmiger Gesichtsausdruck Vorbedingung. Bewerbung hübscher Jungs sinnlos.
Und ... Plötzlich hatte sie es. Cachat besaß ein Lebensziel. Das war offensichtlich in allem zu erkennen, was er sagte und tat; an der Art, wie er sich hielt. Das Ziel mochte richtig sein oder falsch - das konnte Thandi nicht beurteilen -, doch es verlieh Cachat das gleiche sichere Auftreten wie Luiz Rozsak. Vielleicht sogar ein sichereres. Rozsaks Selbstvertrauen war eine rein persönliche Sache, während es bei Cachat dem Wissen entsprang, Teil eines größeren Ganzen zu sein.
Thandi fand das bei einem Mann höchst anziehend. Sie neigte zur Selbstanalyse - manchmal bis an den Rand der Schwermut, dachte sie oft - und wusste, dass ihre Reaktion sich auf ihre Erziehung zurückführen ließ und folglich ein ganz und gar ungeeignetes Mittel zur Charakterbeurteilung war. Dennoch war sie gegen die Gefühlsregung hilflos.
Während sie Cachat weiter studierte, kam ihr die Frage in den Sinn, was wohl auf Ndebele geschehen wäre, wenn dieser Mann ihr Freund gewesen wäre. Lange brauchte sie nicht zu überlegen. Sie hätte ihre Ausbildung erhalten, ohne dafür einen zusätzlichen Preis zahlen zu müssen. Der Plantagenmanager hätte vor Cachat zu viel Angst gehabt, um sich anders zu verhalten. Der junge Havenit hatte etwas an sich ... etwas Undefinierbares. Er war auf stille Weise einschüchternd, ganz einfach.
Ach, es reicht! Sie stand unversehens von ihrem Tisch auf und durchschritt den Schleierschirm in den Speisesaal.
Cachat entdeckte sie augenblicklich. Seine dunklen Augen folgten ihr gelassen, während sie auf seinen Tisch zusteuerte. Sein Gesicht war völlig reglos. Thandi befiel das unangenehme Gefühl, dass er die ganze Zeit von ihrer Anwesenheit gewusst hatte.
Sie fragte ihn danach, kaum dass sie Platz genommen hatte.
Cachat zuckte ganz leicht mit den Schultern. »Ob ich wusste, dass Sie dort drin waren? Nein. Aber ich habe vermutet, dass sie in einer dieser merkwürdigen kleinen Nischen sitzen würden. Schließlich haben Sie das Restaurant ausgesucht - welchen Grund hätten Sie sonst dazu gehabt? Das Essen ist lausig.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte sie ein wenig feindselig. »Haben Sie je hier gegessen?«
Er lächelte, und sein Gesicht veränderte sich vollkommen. Der unterschwellige Eindruck der Unbarmherzigkeit blieb, doch plötzlich erschien er trotzdem als ein sehr netter Mensch. Thandi stellte fest, dass sie sich sehr viel mehr für ihn erwärmte, und verfluchte ihre Reaktion. Unter den gegebenen Umständen durfte sich nicht zu Cachat hingezogen fühlen. Sie wusste nicht, was er vorhatte. Watanapongse war genauso
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