Honor Harrington Bd. 16
ahnungslos gewesen, als sie die Nachricht, die sie empfangen hatte, am Vorabend mit ihm durchsprach. Weder Thandi noch Rozsaks oberster Nachrichtenoffizier glaubten, dass es sich um eine persönliche Angelegenheit handelte. Die Republik Haven fischte im Augenblick in sehr unruhigen
Gewässern, und Victor Cachat war vermutlich der Köder. Wenn er um ein privates Treffen mit einem Offizier Rozsaks bat - er hatte ausdrücklich um Lieutenant Palane gebeten dann vermutlich aus politischen Beweggründen. Gründen zudem, die sich höchstwahrscheinlich nicht allzu gut mit Rozsaks Plänen vertrugen.
»Ich habe nachgefragt«, antwortete er. Wieder vollführte er sein bescheidenes Schulterzucken. »Ich vermute, dass ich hier bessere Beziehungen habe als Sie. Zumindest wenn es darum geht, die Restaurants der Stadt zu kennen, in denen man gut essen, und die, in denen man gut Unsinn machen kann.«
Thandi presste die Lippen zusammen. Sie hatte Imbesis Nichte nicht besser leiden können als umgekehrt. Hauptsächlich aber rührte ihre Reaktion - und das war bestürzend - daher, dass ihr die Vorstellung von Bettgeflüster zwischen Victor und dieser Frau kein bisschen gefiel.
So, jetzt bist du auch noch eifersüchtig! Irgendwelche weiteren idiotischen Anwandlungen, in die du dich stürzen möchtest ?
Doch sie sagte nichts. Und etwas sehr Unterschwelliges in Cachats Gesicht machte ihr klar, dass er ihre Fähigkeit, auf die gehässige Bemerkung zu verzichten, die ihr auf der Zunge gelegen hatte, durchaus zu schätzen wusste.
Thandi überdeckte die persönliche Verlegenheit mit politischer.
»Also, worum geht es eigentlich, Special Officer Cachat? Was soll das ganze Geheimagentenbrimborium?«
Das Lächeln stand noch immer auf seinem Gesicht. »Meiner Erinnerung nach habe ich lediglich eine Nachricht an Ihr Hotel geschickt und Sie um eine Verabredung zum Mittagessen gebeten. Überhaupt nichts Spionisches dabei. Sie war nicht einmal in Geheimkode geschrieben. Sie waren es, die darauf bestanden hat, dass wir uns hier treffen.«
Thandi war ein wenig verlegen und versucht, ihm zu entgegnen, dass sie diesen Treffpunkt Watanapongse zu verdanken hätten. Doch wieder hielt sie den Mund. Über einen Offizierskameraden äußerte sich Thandi ebenso wenig boshaft wie über eine andere Frau. Immerhin hatte sie eingewilligt.
»Okay, vielleicht war es töricht. Aber... was wollen Sie denn von mir? Und sagen Sie mir ja nicht, Ihnen ginge es nur um das Vergnügen meiner Gesellschaft.«
»Nur ist es leider so. Deswegen habe ich ja ausdrücklich nach Ihnen gefragt«, sagte er. Die Worte kamen ein wenig steif heraus. Thandi vermutete stark, dass Cachat mit persönlichen Empfindungen genauso schlecht umgehen konnte wie sie. Erneut spürte sie, wie sie sich noch mehr für ihn erwärmte, und erneut kam sie sich deswegen idiotisch vor. Sie war Berufsoffizier und wollte vorwärts kommen, verdammt noch mal; sie war kein Schulmädchen, das sich von hier auf jetzt in einen Mann verknallt hatte, der im Grunde ein völliger Fremder für sie war.
Zum Glück überging Cachat den Augenblick. »Worum es geht, ist natürlich die politische Lage im Erewhon-System. Mir will es Vorkommen, als hätten die Republik Haven und einige Offiziere der solarischen Navy mit engen Verbindungen zu Gouverneur Barregos gewisse Interessen gemeinsam. Und wenn ich nicht ganz falsch liege, gibt es eine Möglichkeit, wie wir zusammen unsere gemeinsamen Interessen vorantreiben könnten.«
Sie kniff leicht die Augen zusammen. »Sie deuten damit an, dass zwischen dem Gouverneur und ... was Sie ›einige Offiziere« der solarischen Navy nennen, eine Distanz existieren könnte. Fürs Protokoll...«
»Lassen wir das einfach, Lieutenant Palane. Fürs Protokoll: Alle Offiziere der SLN sind uneigennützige, unpolitische Militärpersonen, deren persönliche und politische Loyalität identisch ist. Fürs Protokoll: Das Office of Frontier Security ist eine Organisation, die sich der Förderung von rückständigen Planeten widmet. Fürs Protokoll: Wo wir schon dabei sind, ist ein
Bordell ein arztpraxisähnliches Zentrum zum Studium des menschlichen Sexualverhaltens. Welche von diesen drei Behauptungen betrachten Sie als am wenigsten absurd?«
Sie schnaubte. »Die über das Bordell.«
»Das ist auch meine Meinung.« Er beugte sich vor. »Sehen Sie, Lieutenant, es interessiert mich nicht im Geringsten, welche persönlichen Ziele Captain Rozsak verfolgt. Oder wie diese Ziele letztendlich in
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