Honor Harrington Bd. 16
sie Cachat über Flairty. »Fällt dir etwas ein, wieso man ihn zurückgelassen hat?«
»Ich muss kurz darüber nachdenken.«
Vielleicht zehn Sekunden lang herrschte Schweigen. Als Victor sich wieder meldete, hörte sie mit einem Mal eine Spur von Erregung in seiner Stimme.
»Ja. Jetzt passt es alles zusammen. Es handelt sich um einen Entführungsversuch, Thandi, nicht um einen Mordanschlag. Templeton plant, sich die Prinzessin zu schnappen - frag mich nicht, wieso. Ich vermute, dass er sie als Geisel benutzen will, um Manticore und Grayson zur Freilassung von Häftlingen zu zwingen. Hunderte - Tausende - von masadanischen Fanatikern sitzen im Gefängnis.«
Sie versuchte, Victors Gedankengang zu folgen. »Aber ... Wie will Templeton denn mit einer Geisel von Erewhon entkommen? An Bord seines Schiffes geht das nicht. Gewiss, es hat ein paar schwere Waffenlafetten, aber keine Panzerung, und seine Seitenschilde sind ein Scherz. Letztendlich ist es eben kein Kampfschiff. Alles außer vielleicht einem LAC könnte es zusammenschießen, ohne sich besonders anzustrengen. Verdammt, das Mistding lässt sich sogar ohne große Mühe entern! Okay, sicher, dann schwebt das Leben der Prinzessin in Gefahr, aber ... oh.«
»Genau. Oh. Er ist vielleicht gewillt, das Leben Prinzessin Ruths zu riskieren, vielleicht aber auch nicht. Gut möglich, dass die Mantys es riskieren. Auf Manticore ist es alte Tradition, Angehörige des Königshauses notfalls zu opfern. Doch auf keinen Fall wird selbst ein kaltblütiger Erewhoner das Gemetzel in Kauf nehmen, das an Bord eines Schiffes entstehen müsste, welches Tausende Unschuldiger befördert. Mit den Waffen, die Templeton sich in der Raumstation aneignen kann, lassen sich nicht allzu viele Leute bedrohen, aber sobald er an Bord dieses Frachters kommt, werden die Karten neu gemischt. Wenn alle Stricke reißen, kann er ihn sprengen, indem er die Regler an der Fusionsflasche rausnimmt. Er ist ein religiöser Fanatiker, also fehlt ihm die übliche gesunde Furcht vor Selbstmord.«
Thandi starrte zum Sichtfenster hinaus. Der Frachter kam kurz an der Ecke in Sicht, dann drang der Shuttle in den Hangar der Raumstation ein, und das Schiff verschwand aus ihrem Blickfeld.
Sie kam rasch zu einer Lösung. »Ich sollte jetzt das Schiff entern, bevor sie alarmiert sind.«
»Ja, ich bin der gleichen Meinung. Ich würde wetten, dass Flairty nur aus einem Grund zurückbleibt - bei einem ausgiebigen Essen ganz in der Nähe zum Suds: damit er zum angemessenen Zeitpunkt zum Hotel zurückkehren und Mesas angebliche Oberaufseher informieren kann, dass ihre Lakaien gerade eine kleine Revolte angezettelt haben und Mesa sie mit einem Transportmittel versorgen wird, um das Mesa-System zu verlassen, ob Mesa das nun passt oder nicht. Wenn ich Recht habe, dann bleiben dir darum nicht mehr als zwo Stunden, um zuzuschlagen. Vergiss nicht, dass die dritte Masadanergruppe - die mit den beiden Piloten - fast mit Sicherheit vor dir den Frachter geentert und unter ihre Kontrolle gebracht hat. Du bekommst es also nicht nur mit einer schlafmützigen Frachtercrew zu tun.«
Sie schüttelte den Kopf. So tüchtig er auf anderen Gebieten sein mochte, von Enteroperation hatte Cachat keine Ahnung. Thandi schon.
»So simpel ist das nicht, Victor. Ohne die Zugangskodes gibt es nur eine Möglichkeit, an Bord eines Schiffes zu kommen: indem du die Schotten aufsprengst. Dazu fehlt mir jedoch die Ausrüstung. Templeton besitzt sie vielleicht, an Bord seines eigenen Schiffes, aber ich ganz sicher nicht. Ich habe nicht einmal Faustfeuerwaffen. HoloDramas hin und her, allein mit einer Brechstange dringt du in kein modernes Sternenschiff ein - nicht einmal in einen Frachter.«
Am anderen Ende herrschte kurz Schweigen. Dann hörte Thandi: »Du bist die Expertin. Also gut, ich schlage Folgendes vor: Unsere Leute, die Flairty beschatten, schnappen sich ihn, sobald er mit den mesanischen Köpfen spricht. Dann schaffen wir sie alle hier herauf. Ich bin sicher, dass mir Imbesi dazu private Transportmittel beschaffen kann.«
Sie blickte ihn gequält an. »Victor, meine beiden Mädchen sind gut, aber das ist ein bisschen viel verlangt. Flairty - und dazu ein halbes Dutzend anderer Männer? Das schaffen sie vielleicht, aber ...«
»Ach du Ungläubige. Du vergisst, mit wem ich zusammenarbeite. Die vier, die auf dem Weg hierher sind, sind nicht die Einzigen auf ganz Erewhon. Sobald ich über Imbesi die Nachricht weiterleiten kann, bekommt ihr alle
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