Honor Harrington: Im Donner der Schlacht: Roman (German Edition)
Ihre Regierung hat sich hartnäckig geweigert, uns entgegenzukommen – nicht einmal ein winziges Stück weit! Gestatten Sie mir, Ihnen Folgendes darzulegen, Herr Staatssekretär: Die Wirtschaft der Liga mag in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn das Sternenimperium in angemessener und umsichtiger Art weitere Zwischenfälle zu verhindern sucht. Aber jedweder Schaden, den die Liga so erleiden mag, nimmt sich deutlich geringer aus als der, den sie in einem offenen Krieg gegen die Royal Manticoran Navy hinzunehmen hätte. Vielleicht glauben Sie mir nicht, aber meine Regierung versucht tatsächlich, einen Krieg zu vermeiden. Wir haben es auf diplomatischem Wege versucht. Wir haben Ihnen offizielle Noten zukommen lassen. Wir haben Ihnen angeboten, die Zwischenfälle gemeinsam zu untersuchen. Wir haben Ihnen detaillierte Sensor-Aufzeichnungen der bisherigen Zwischenfälle zur Verfügung gestellt. Und nichts davon scheint die Solare Liga auch nur im Mindesten interessiert zu haben.«
Über den Schreibtisch hinweg schaute Carmichael Kolokoltsov an, und sein Blick hätte Helium gefrieren lassen können.
»Das Sternenimperium von Manticore kann der Solaren Liga nicht vorschreiben, welche Außenpolitik sie betreibt, Herr Staatssekretär. Das versucht meine Heimat auch gar nicht. Aber Manticore wird seine eigene Außenpolitik betreiben. Und wenn wir Sie nicht auf die eine Art und Weise dazu bringen können, Vernunft anzunehmen, werden wir uns eben eine andere überlegen müssen!«
April 1922 P. D.
Nach allem, was wir bislang von den Mantys erlebt haben, scheint ihre erste Reaktion auf eine wie auch immer geartete Bedrohung, vor allem eine Bedrohung für ihr Heimatsystem, darin zu bestehen, diese Bedrohung zu eliminieren.
Justyná Miternowski-Zhyang,
Planetare Direktion von Beowulf,
Stellvertretende Direktorin des Verteidigungsressorts
Kapitel 6
»Ihr Fünfzehn-Uhr-Termin, der Permanente Leitende Staatssekretär Kolokoltsov, ist hier, Mr. President.«
»Ah! Ausgezeichnet – ausgezeichnet!« Präsident Yao Kun Chol, vorgeblich der mächtigste Mann der gesamten Solaren Liga, strahlte über das ganze Gesicht, als hinter Shania Lewis Innokentiy Arsenovich Kolokoltsov (der möglicherweise tatsächlich mächtigste Mann der gesamten Liga) das Amtszimmer betrat. Der Schreibtisch des Präsidenten war größer als die meisten Betten. Yao musste das Möbel tatsächlich umrunden, um Kolokoltsov die Hand entgegenzustrecken.
»Ich danke Ihnen, Shania«, wandte sich der Präsident dann an seine Privatsekretärin. »Ich denke, das wäre vorerst alles – es sei denn, Sie bräuchten noch etwas, Innokentiy?«
»Nein. Nein, vielen Dank, Mr. President. Alles bestens.«
»Gut. Gut!« Der Präsident strahlte noch mehr. Dann nickte er Lewis zu, die ihn höflich anlächelte, in Kolokoltsovs Richtung eine Verneigung andeutete und sich dann zurückzog. »Bitte setzen Sie sich doch, Innokentiy!«, meinte Yao, während sich hinter seiner Privatsekretärin die schwere Tür mit den kostbaren Intarsien schloss.
»Ich danke Ihnen, Mr. President.«
Kolokoltsov kam der Einladung nach und setzte sich in den bequemen Lehnsessel, der vor dem Schreibtisch des Präsidenten bereitstand. Der Permanente Leitende Staatssekretär für Äußere Angelegenheiten spürte, wie sich der Sessel, durch Biorückkopplung gesteuert, perfekt an seine Körperformen anpasste. Währenddessen schaute er zu, wie Yao erneut seinen Schreibtisch umrundete und sich in seinen eigenen, beinahe schon thronartigen Sessel sinken ließ. Der Staatssekretär musste sich sehr zusammenreißen, nicht spöttisch eine Augenbraue zu heben.
Nach Innokentiy Kolokoltsovs wohldurchdachter Meinung war Yao Kun Chol ein Idiot. Yao hatte diesen angesehenen (aber gänzlich machtlosen) Posten erlangt, weil er wusste, wann man wie in die Kamera zu lächeln hatte, und weil die wahren Drahtzieher der Solaren Liga ganz genau wussten, dass er eine echte Null war. Yao wäre selbst dann ineffizient gewesen, wäre mit seinem ehrwürdigen Amt tatsächlich noch echte Macht einhergegangen. Yao war ein idealer Präsident. Er entstammte einer immens wohlhabenden Familie und hatte somit, auch ohne Macht aus seinem Amt schöpfen zu können, reichlich Einfluss hinter der Fassade der parlamentarischen Liga-Regierung. Die Präsidentschaft war ein Spielzeug, dass Yao mit seinem Pomp glücklich machte und ihn davon abhielt, sich mit wirklich wichtigen Dingen zu befassen (beispielsweise mit dem Familienunternehmen). Wer
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