Honor Harrington: Im Donner der Schlacht: Roman (German Edition)
Quartermain. »Kun Sang hat sich ja schon immer aus dem Alltagsgeschäft mit Wirtschafts- oder Innenministerium herausgehalten. Bitte, vergessen Sie nicht: Bei Familie Yao reden wir wirklich von altem Geld! Die haben fast eintausend Jahre lang zu den einflussreichsten Familien von Sebastopol gehört. Deswegen tun sie gern so, als wären sie sich zu fein für ein so schmutziges Geschäft wie den Handel.«
»Ja, aber sicher doch!« Abruzzi verdrehte die Augen.
»Nun, zu dieser Art Heuchelei gehört natürlich auch, dass jeder die Wahrheit kennt«, gab Quartermain zu bedenken. »Und dass Kun Sang am Anfang einfacher Planetar-Manager war und sich dann nach oben gearbeitet hat, macht die ganze Sache bei den Yaos nur um so fadenscheiniger. Aber jetzt, wo er ganz oben angekommen ist, zwingt ihn die Tradition praktisch dazu, immer nur professionelle Manager für ihn auftreten zu lassen. Diese ›Gehilfen‹ übernehmen die ganze Arbeit, an der sich die aristokratische Familie selbst nicht die Hände schmutzig machen will – vor allem, wenn es um Politik geht.«
»Genau«, stimmte Kolokoltsov zu. »Vorausgesetzt natürlich, ich schätze die Lage richtig ein, will er uns unmissverständlich zeigen, dass er immer noch die Finger im Spiel hat. Aber gleichzeitig lässt er uns auch wissen, dass er hinreichend beunruhigt ist, um sich tatsächlich fast schon persönlich aus der Deckung zu wagen.«
»Und wenn man bedenkt, wie lange sich seine Familie bedeckt gehalten hat – denken wir an Sebastopol! –, bedeutet das, seine Besorgnis muss wirklich beachtlich sein«, griff Quartermain den Gedanken auf.
»Genau«, wiederholte Kolokoltsov. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass man für Kun Chol ein detailliertes Drehbuch vorbereitet hat. Letztendlich lief alles auf die Frage hinaus, wie wir die Lage einschätzen – wie viel schlimmer wird es noch, und wie lange dauert das Ganze.«
»Wenn wir eine Antwort auf diese beiden Fragen hätten …«, setzte Abruzzi an. Doch den Rest ließ er ungesagt und schüttelte nur grimmig den Kopf.
»Mir fällt auf, dass sich weder Rajani noch Nathan zu unserem kleinen Tête-à-tête eingefunden haben«, bemerkte Quartermain.
»Ja, bemerkenswert, nicht wahr?« Kurz ließ Kolokoltsov seine Zähne aufblitzen.
Nathan MacArtney, Permanenter Leitender Staatssekretär des Innenministeriums war der fünfte ›Mandarin‹, Flottenadmiral Rajampet Kaushal Rajani der Chef des Admiralstabs der Solaren Liga.
»Gibt es dafür einen besonderen Grund?«, erkundigte sich Wodoslawski.
»Nathan ist derzeit nicht im Hause«, erwiderte Kolokoltsov. »Er ist auf dem Weg nach Elysium. Ich glaube, es geht um irgendwelche Familienangelegenheiten. Da ich den Sicherheitseinstellungen seiner Kommunikationsgeräte nicht genug vertraue, wage ich nicht mich an ihn zu wenden, ehe er nicht wieder zurück ist. Außerdem befindet er sich bereits jenseits der Mars-Umlaufbahn. Bei lichtschneller Kommunikation hätten wir dann eine Signalverzögerung von fast anderthalb Minuten zu ertragen.« Der Permanente Leitende Staatssekretär für Äußere Angelegenheiten zuckte die Achseln. »Ich werde natürlich dafür sorgen, dass er ein vollständiges Protokoll dieser Besprechung erhält.«
»Natürlich.« Quartermain nickte. »Und was ist mit Rajani?«
»Was Rajani hier beizutragen hätte, wissen wir alle doch schon jetzt.« Alle Beteiligten verzogen gequält das Gesicht. »Unter diesen Umständen, so meine ich, können wir auf seine Ausflüchte und seine Schauspielerei verzichten und stattdessen zur Sache kommen.«
Quartermains Nicken war dieses Mal deutlich bedächtiger. Die Permanente Leitende Staatssekretärin für Handel war eine bemerkenswert gut aussehende Frau. Sie hatte Haar, dessen Farbe an Geschützbronze erinnerte, und blaue Augen, die einen interessanten Kontrast zu ihrer dunklen, fast schwarzen Haut boten. Im Augenblick jedoch hatte Quartermain die Augen nachdenklich eng zusammengekniffen. Sie zweifelte keinen Moment daran, dass MacArtney auf Reisen war. Sie wusste aber auch, dass er trotz seiner Abneigung gegenüber Flottenadmiral Rajampet am ehesten noch dessen Verbündeter im Kreise der mächtigen fünf Staatssekretäre war. Es war folgerichtig. Schließlich unterstand das Liga-Amt für Grenzsicherheit dem Innenministerium. Demnach war MacArtneys Machtposition bedroht, wenn sich diese Neobarbaren von Mantys tatsächlich den Plänen des OFS erfolgreich widersetzten. Ganz zu schweigen davon, dass der gesamte Einfluss
Weitere Kostenlose Bücher