Honor Harrington: Im Donner der Schlacht: Roman (German Edition)
recht war. Schließlich verlieh ihm das ein äußerst distinguiertes Aussehen in einer Gesellschaft, die sich dank Prolong-Behandlungen zunehmend an lang anhaltende Jugendlichkeit gewöhnt hatte. Das graumelierte Haar bot einen interessanten Kontrast zu dem buschigen pechschwarzen Schnurrbart. Zumindest die Polit-Karikaturisten waren, ungeachtet ihrer politischen Einstellung, davon hellauf begeistert.
Die anderen Mitglieder der Direktion (genauer gesagt deren Holo-Abbilder) tauschten fragende Blicke. Dann sahen sie ihr inoffizielles Staatsoberhaupt an. Einige zuckten die Achseln, andere schüttelten den Kopf.
»Na prächtig«, meinte Benton-Ramirez trocken.
»Persönlich bin ich ihr nie begegnet, Chyang«, ergriff dann Generaldirektor Fedosei Demianovich Mikulin das Wort. »Aber ich hatte noch Gelegenheit, einen Blick in ihre Akte zu werfen.«
Obwohl er beinahe zwei Jahrzehnte älter war als jeder seiner Kollegen im Planetaren Direktorat, wirkte Mikulin mit seinen blonden Haaren und den strahlend blauen Augen jünger als Benton-Ramirez. Zugleich war er fast dreizehn Zentimeter größer. Er war studierter Physiker, aber seit mehr als dreißig T-Jahren als Generaldirektor ohne spezifisches Ressort Mitglied des Planetaren Direktorats. Seine Kollegen in der Aktionärs- und der Werktätigenkammer hatten ihn beharrlich wieder und wieder ins Direktorat gewählt, weil er seine Fähigkeit unter Beweis gestellt hatte, sich jeder nur erdenklichen Krise anzunehmen. Benton-Ramirez hatte ebenso wie seine beiden letzten Vorgänger gelernt, dass auf Mikulins Rat Verlass war … insbesondere, was Fragen des Nachrichtendienstes betraf.
»Und was hat Ihnen diese Akte verraten, Fedosei?«, fragte der Vorstandssprecher nun.
»Sie ist Kingsfords Operationsoffizier«, begann Mikulin seinen Bericht. »Sie ist um ein paar Ecken mit ihm verwandt und mit Rajani verheiratet. Trotzdem ist sie nur Konteradmiral. Laut ihrer Akte war das letzte Schiff, das sie befehligt hat, damals noch im Rang eines Captains, ein Superdreadnought. Soweit wir wissen, hatte sie noch nie das Kommando über eine Flotte, einen Kampfverband oder auch nur ein Geschwader. Sie genießt einen gewissen Ruf als Einsatzplanerin. Aber diesen Ruf hat sie bei der SLN, also wäre ich in dieser Hinsicht ein wenig vorsichtig – vor allem, da sie trotz ihrer Beziehungen nie über den Rang eines niedrigen Flaggoffiziers hinausgekommen ist. Aber offensichtlich setzen ihre Vorgesetzten volles Vertrauen in sie, wenn es um Politik und interne Streitereien in der Bürokratie geht. Soweit ich das beurteilen kann, hat Kingsford – oder zumindest Jennings – sie bei einigen rechtlich nicht ganz einwandfreien Operationen als Vermittlerin eingesetzt. Wir reden hier von Einsätzen, die niemand in den offiziellen Akten vermerkt wissen wollte.«
Benton-Ramirez nickte. Flottenadmiral Winston Seth Kingsford war der Oberkommandierende der Schlachtflotte der Solarian League Navy. Damit war er Rajampets gesetzlicher Nachfolger auf dem Posten des Admiralstabschefs. Admiral Willis Jennings wiederum war Kingsfords Stabschef. Und beide waren bestens mit den mörderischen Bruderkriegen in den Reihen der Liga-Bürokratie vertraut.
»Dann können wir wohl davon ausgehen«, meinte daraufhin der Vorstandssprecher, »dass es niemanden von uns sonderlich erfreuen wird, wenn man sie für einen ›rechtlich nicht ganz einwandfreien‹ Einsatz zu uns geschickt hat.«
»Wahrscheinlich nicht«, stimmte Jukka Longacre, der Direktor des Ressorts Äußere Angelegenheiten, recht betrübt zu. »Aber die Frage lautet doch: Wie wenig erfreut werden wir tatsächlich sein?«
Konzentriert kniff der faktische Außenminister von Beowulf die amethystfarbenen Augen zusammen. Neben dem gänzlich haarlosen Schädel und seiner Hakennase waren diese Augen das Bemerkenswerteste an ihm – vor allem, da sie sich so deutlich von seiner dunklen Haut abhoben. Wieder einmal ging Caddell-Markham durch den Kopf, dass Longacre eigentlich nur noch ein goldener Ohrring fehlte, um im HD einen idealen Piraten abzugeben. Bevor man Longacre vor sieben Jahren in das Direktorium gewählt hatte, war er Leiter des Fachbereichs Interstellare Politik an der Universität von Columbia gewesen.
»Sie fragen sich, ob jemand erfahren hat, dass wir Manticore gewarnt haben?« Benton-Ramirez’ Tonfall verwandelte die Frage in eine Aussage. Longacre nickte.
»Das halte ich für unmöglich«, warf Verwaltungsdirektor Joshua Pinder-Swun ein und
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