Honors Mission: Honor Harrington, Bd. 25. Roman
jemals ihren derzeitigen Rang zu bekleiden. Und auch nicht, weil sie gerade erst der wichtigsten Forschungs- und Entwicklungsanlage der Royal Manticoran Navy zugeteilt worden war, obschon sie ihre bisherigen Erfahrungen ausschließlich in den Maschinenräumen verschiedener Raumschiffe gesammelt hatte.
Nein, es lag einfach daran, dass sie, seit sie vor einer halben Stunde auf der Station Weyland eingetroffen war, noch nicht einen einzigen Menschen gesehen hatte, der kein mürrisches Gesicht gezogen hatte. Wahrscheinlich hätten die meisten, so vermutete sie, ein gewisses ungutes Gefühl, ›die Neue‹ zu sein, wenn so offensichtlich Fäzes in den sprichwörtlichen Rotations-Luftbeschleuniger geflogen waren.
Ich frage mich, ob das nur hier bei F&E so ist, oder ob es Aubrey und Paulo genauso ergeht, ging es ihr durch den Kopf. Dann stieß sie ein Schnauben aus. Naja, selbst wenn es wirklich so sein sollte, hat Paulo ja wenigstens immer noch Aubrey, der sich um ihn kümmert.
Dieser Gedanke brachte sie zum Lächeln. Sie erinnerte sich an Aubrey Wandermans ersten Einsatz. Interessanterweise war das auch ihr erster Einsatz gewesen. Sie war zwar einige Jahre älter als er, doch sie hatten ihre Schulung und ihre Ausbildungseinsätze gemeinsam zum Abschluss gebracht, und dabei hatte Ginger ihn ein wenig unter ihre Fittiche genommen. Das war auch bitter nötig gewesen. Jetzt fiel es ihr richtig schwer, nicht zu vergessen, wie jung er damals gewesen war - und dass seitdem beinahe schon vierzehn T-Jahre vergangen waren. Manchmal kam es ihr vor, als sei es wirklich erst gestern gewesen; zu anderen Zeiten hatte sie das Gefühl, seitdem seien tausend Jahre vergangen ... und außerdem hatte sowieso jemand völlig anderes das alles erlebt. Doch Ginger wusste noch genau, wie funkelnagelneu und frisch er seinerzeit gewesen war, wie enttäuscht darüber, ›bloß‹ auf einem ›Handelskreuzer‹ eingesetzt zu werden ... um schließlich wenigstens zu erfahren, dass der Kommandant besagten Handelskreuzers Honor Harrington hieß, damals noch im Rang eines Captains.
Gingers Lächeln verblasste, als sie sich an die Clique von Schlägern, Tyrannen und Möchtegern-Deserteuren zurückerinnerte, die Aubrey das Leben zur Hölle gemacht hatten -zumindest, bis Captain Harrington davon erfuhr. Erfahren hatte sie davon, als ein Versuch besagter Clique, einen gewissen diensttuenden Petty Officer namens Ginger Lewis zu ermorden, gescheitert war. Kurz darauf hatte Aubrey, der mittlerweile unter dem Einfluss von Chief Petty Officer Horace Harkness und dem Marineinfanteriekontingent von HMS Wayfarer geraten war, den Anführer dieses Rudels mit bloßen Händen fast totgeschlagen hätte. Immer noch war Ginger ein wenig erstaunt darüber, dass sie tatsächlich eine EVA überlebt haben sollte, nachdem jemand ihren SUT-Tornister sabotiert hatte. Sie wusste auch, dass sie dieses Erlebnis nicht gänzlich unbeschadet überstanden hatte. Selbstjetzt noch, nach all den Jahren, verabscheute sie jede EVA zutiefst. Bedauerlicherweise waren derartige Außeneinsätze in der schiffstechnischen Abteilung deutlich häufiger als bei allen anderen.
Trotzdem gab es nun einen gewaltigen Unterschied zwischen dem jungen Mann, der sich von schlagkräftigen Rüpeln hatte schikanieren lassen, und Senior Chief Petty Officer Aubrey Wanderman. Dazwischen lagen nicht nur ganze Welten, sondern Universen!
Und weder er noch Paulo muss sich bei jemandem zum Dienst melden, der eine so erschlagende Seniorität erreicht hat wie ein Flaggoffizier, dachte sie ein wenig neidisch. Hat der ein Schwein!
Ginger war so sehr in Gedanken versunken, dass sie kaum bemerkte, schon die Tür zu Konteradmiral Yeagers Büro erreicht zu haben. Doch jetzt verdrängte sie fast schon wehmütig diese tröstlichen Erinnerungen und trat ein.
Der Schreibersmaat, der hinter dem Schreibtisch saß, blickte zu ihr auf, dann erhob er sich respektvoll.
»Jawohl, Ma’am?«
»Captain Lewis«, erwiderte Ginger. »Melde mich zum Dienst, Chief.«
»Jawohl, Ma’am. Abteilung Delta, nichtig?«
»Richtig.« Ginger blickte ihn forschend an. Jeder Schreibersmaat im Dienste eines Flaggoffiziers, der auch nur ein bisschen verstanden hatte, worum es ging, behielt ständig sämtliche Details der Termine und Angelegenheiten seines Vorgesetzten im Blick. Aber das Kommen und Gehen aller Offiziere im Auge zu behalten, auch wenn besagte Offiziere selbst erst vor einem Tag von ihrer Abkommandierung zur Weyland erfahren hatten,
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