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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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Gäste, der ihr trotzdem kein Glück gebracht habe. Eine Geschichte, an die Ms Ayrton sich offenbar ungern erinnert, weshalb sie sie lieber für sich behält. (Einer Polizeinotiz zufolge erhängte sich ein gewisser Richard L. Floater in der Neujahrsnacht 1999 / 2000 gegen zwei Uhr morgens in einem günstigen Zweibettzimmer mit Hafenblick bei
Grant’s Children
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    Der Abend endet am frühen Morgen unvermutet damit, dass Lucy sich plötzlich entschlossen erhebt und die Tür zu jenem Hinterzimmer öffnet, »in das man nur durch die Küche gelangte«, wie Hoppe in
Buch L
berichtet. Ein kleiner fensterloser Raum mit niedriger Decke, der entfernt an Gretzkys Garage erinnert, in dem die kinderlose Wirtin Erinnerungen wie Trophäen aufbewahrt, »die ich mit niemandem teile. Aber da Sie nun mal auf die Wahrheit aus sind, will ich Ihnen nichts vorenthalten.«
    Der Gast betritt einen schwach beleuchteten Raum, an dessen hinterer Wand ein großes Klavier steht, beidseitig umrahmt von einer umfangreichen, mosaikartig angeordneten Sammlung von Grußpostkarten ehemaliger Gäste, während sich an den Wänden links und rechts zwei Regale hochziehen. Das eine voller Mappen und Bücher, die, alle verstaubt, offenbar niemand mehr zur Hand nimmt, das andere vollgestopft mit allem, was Ms Ayrtons hochzeitsreisende Gäste zurückgelassen haben: dicke Luft, vertrocknete Blumensträuße, leere Flaschen, zerknüllte Taschentücher, das Ende des Stricks von Dick Floater und, in eine Art Zelttuch gewickelt, Hoppes Eishockeyschläger. Daneben, in einem karierten Rucksack, Hoppes Handschuhe und ihre Maske. Auf dem Regalbrett darunter jene Kiste, die Lucy vorsichtig, als sei sie aus Glas, auf einem Tischchen platziert, das, von drei Sesseln umgeben, in der hinteren Ecke schräg vor dem Klavier steht. »Wenn Sie wollen«, sagt Lucy, »machen Sie’s auf, wenn Sie Mut haben, schauen Sie rein. Ich habe kein Wort davon gelesen und auch nicht die Absicht, es jemals zu tun. Darauf mein irisches Ehrenwort.«
    Die Kiste, eher eine Art große Keksbüchse, enthält, sorgfältig gebündelt und mit einer roten Schleife verschnürt, Felicitas’
Briefe an vier deutsche Geschwister
(insgesamt fünfzehn) und jene
Postkarten an meine Eltern
(insgesamt zwölf), die, neben fünf zugeordneten Schriftstücken (drei Briefe und zwei Postkarten mit dem Vermerk einer Hamburger Schiffsagentur: »Wiederholt nicht zustellbar. Rückgestellt an Kramer und Small«), mittlerweile längst auf der Schillerhöhe im Marbacher Literaturarchiv liegen, dessen Existenz Lucy Ayrton bis heute ebenso in Zweifel zieht wie Hoppes Heimatstadt Hameln.
     
    Aus Brief 3 (Sammlung Ayrton): »Sommerferien im Januar. Heute war ich zum ersten Mal in der Stadt, wo das wirkliche Leben beginnt, weil man endlich aufhört, das Meer zu sehen. Meine Ausrüstung kann ich vergessen, nichts, was ich hier gebrauchen könnte, alles, was mir am Herzen liegt, lasse ich bei
Grant’s Children
zurück. Ms Ayrton verspricht, darauf aufzupassen, bis endlich der nächste Winter kommt, der sowieso nicht kommt, weil ich mich viel zu sehr danach sehne. Wie sehr ich Walters Eisring vermisse, das Kratzen der Schläger, die Hitze der Kälte am Sonntag, Phyllis und Wayne, der, genau wie Ihr, keine Briefe schreibt, Sieger schreiben nun mal keine Briefe. Bald werde ich trotzdem alles haben, wovon Ihr nur träumt: ein Haus im Zentrum, ohne Meerblick (Vergangenheiten ertrage ich schlecht) und mit Doppellabor (eins für Karl, eins für mich), ein neues Klavier und eine Lehrerin, die auch sonntags nicht bei uns einziehen darf.
    Die Stadt hält mit Hameln nicht mit, kein Hochzeitshaus, keine Glocken, keine Eisbahn, dafür jede Menge Kirchen und Friedhöfe (was Grushenko nicht gefallen würde!), ein Zoo und ein Botanischer Garten, lauter Museen. Niemals werde ich Karl verzeihen, dass er mich nach hier unten verschleppt hat, ans Ende der Welt. Aber was kümmert mich Karl, ich habe längst einen neuen Begleiter gefunden, der mir viel besser erklären kann, was es mit Adelaide auf sich hat.«
    Vier Jahre später taucht jener geheimnisvolle Begleiter unvermutet in Hoppes kurzer Erzählung
Meeting at Montefiore Hill (Der Blindgänger)
wieder auf, die, wie so viele Geschichten Hoppes, offenkundig mit einem Abschrieb aus dem
Großen Baedeker
beginnt: »Angesichts seiner überschaubaren Größe ist Adelaide gut zu Fuß zu erkunden. Das schönste Panorama bietet der Montefiore Hill mit der Statue das Stadtgründers William Light, zu

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