Hoppe
wissen, was in der Lage zu tun ist. Eine schwierige Lage, weil Ihr gar nicht in Not seid, sondern bloß ein gutes Gedächtnis habt, das Euch immer wieder von vorn dran erinnert, dass Ihr Euch längst entschieden habt: erstens für Wayne (gemeint ist vermutlich der kanadische Eishockeyspieler Wayne Gretzky/fh), zweitens für Glenn (gemeint ist vermutlich der kanadische Pianist Glenn Gould/fh), drittens für mich. Was nichts daran ändert, dass die Könige (gemeint sind vermutlich die ›Heiligen Drei Könige‹/fh) kommen, also stehen wir auf, um sie zu begrüßen, denn wir wissen, was sich gehört, wir sind gut erzogen.«
Meeting at Montefiore Hill
ist ein klassischer Schlüsseltext, in dem nicht nur deutlich wird, was die Phantasie der jugendlichen Erzählerin beschäftigt, sondern der nebenbei auch bereits zahlreiche aus dem späteren Werk vertraute Motivreihen aufruft, allem voran das Königsmotiv, das Hoppe hier so mühelos wie unreflektiert von einem kindlichen Märchenglauben in ein pubertäres Sehnsuchtpanorama überführt. Umso verständlicher, dass sie die Geschichte unter Verschluss hielt, wie alle ihre Geschichten aus den Wüstenjahren, von denen, neben
Buch L
und dem hier zitierten
Blindgänger
, nur noch
Dreaming of Klemzig (Wiedersehen in Klemzig)
und
Wicketoos Traumbuch
erhalten sind, auf die wir weiter unten zurückkommen werden.
Ob es andere Texte aus Hoppes australischen Jahren gab, die sie womöglich zu den Fischen und Flaschen warf, lässt sich nicht mehr ausmachen, allerdings ist davon auszugehen, dass sie während ihrer Zeit in Adelaide nicht nur den Briefverkehr nach Deutschland auffallend stark vernachlässigte, sondern überhaupt weit weniger schrieb als in ihren kanadischen Jahren. Selbst dann, wenn sie schreibt, wird zunehmend deutlich, was Felicitas schon in Brantford wusste: wie sehr das Schreiben sie von der Gemeinschaft entfernte. Wieder und wieder ist von dem Wunsch die Rede, »endlich den Stift aus der Hand zu legen« und sich »äußeren Angelegenheiten« zuzuwenden, »schließlich will ich dabei sein, wenn die Könige kommen«.
Wenn bereits oben von Hoppes Hang zu Tröstungsliturgien und Selbstrettungsprosa die Rede war, die sie wie Beschwörungsformeln gegen Abschiede und Heimweh einzusetzen pflegte, so zeigt sich im
Blindgänger
, dass ihr Schreiben über Tröstung und Beschwörung weit hinaus- und in eine Art unausgegorene Selbsthuldigungsprosa übergeht. Schon früh neigt Hoppe zu einer so naiven wie doppelbödigen Form des Selbstlobs, das sie immer wieder durch leise Ironie zu konterkarieren versucht, was kaum darüber hinwegtäuscht, wie sehr sich Felicitas nach Anerkennung sehnte und wie sehr sie sich davor fürchtete, an ihren eigenen Ansprüchen zu scheitern.
Der Text ist, wie fast alle Texte Hoppes (mit Ausnahme ihres Kindheitswerks, das zwar bereits das tragische Drama, aber an keiner Stelle auch nur den geringsten Hauch eines Selbstzweifels kennt), von einer merkwürdigen Gegenbewegung getragen. (»Man wird Euch beklatschen, sich die Münder zerreißen …«) Die Selbstdarstellung der jungen Autorin wird unversehens zu einer ambitionierten Selbstverteidigung gegen Angriffe, die realiter gar nicht stattgefunden haben, als kämpfe sie gegen das Phantom eines Gegners, der überhaupt nicht auf dem Spielfeld erscheint. In diesem Zusammenhang sei noch einmal an Bamie Boots Bemerkung erinnert, Felicitas habe die lästige Neigung, immer über das Spielfeld hinauszudenken, und hindere sich damit selbst am Erfolg. Wohingegen Tracy Norman meint: »Sie sieht andauernd Spielfelder, wo überhaupt keine sind, und verwechselt noch das harmloseste Vergnügen mit einem Kampfplatz. Da geht eine in voller Rüstung zum Maitanz. Wen wundert’s, dass sie dort keinen Tänzer findet!«
(Missing the Summer)
Hier allerdings irrt Tracy Norman (nicht zum ersten Mal). Hoppe hatte ihren Tänzer längst gefunden, nicht erst im Mai, sondern bereits am vierzehnten Januar. Der blinde junge Mann (dem sie später in ihrem Debüt
Picknick der Friseure
mit der Geschichte
Das Refektorium
ihre literarische Reverenz erwiesen hat) ist zwar so wenig König oder Matrose wie Felicitas eine Queen, aber, wie die meisten Protagonisten Hoppes, alles andere als erfunden.
Joey (Jonathan) Blyton, geboren am 26 . 1 . 1960 als einziger Sohn des in den frühen fünfziger Jahren aus Schottland eingewanderten Arztes Quentin Blyton und seiner Frau Virginia, Mitbegründerin der berühmten Prembroke School, war
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