Hoppe
Trauzeugen machen, den zweiten ich. Von mir aus gern, sagte ich, ich komme bestimmt, schließlich bin ich noch nie in Deutschland gewesen, in Hameln schon gar nicht.
Aber der Weg ist weit, bist du sicher, dass dieser Wayne wirklich kommt? Natürlich kommt Wayne, sagte sie entschieden, ohne Wayne fällt doch alles ins Wasser. Und Phyllis und Walter kommen auch, vielleicht auch BB und Tony Tonell und Martha und die andere Lucy. Dann wirst du sie alle kennenlernen, vor allem meine richtigen Eltern und meine vier Geschwister. Und was ist mit Karl?, fragte ich. Karl, sagte Felicitas, ist immer dabei, egal, was kommt, ob ich will oder nicht, ohne ihn komme ich nirgends hin, er trägt meinen Namen und unsere Pässe, für immer und ewig. Jedenfalls solange ich nicht verheiratet bin.«
Mit Pässen hält es Ms Ayrton übrigens wie mit der Geographie: »Was sind schon Pässe, auf Pässe ist doch gar kein Verlass. Sie sehen ja selbst, wer und was hier so absteigt, der Hafen gleich um die Ecke. Da kommt einer an, zieht ein Papier aus der Tasche, mit Stempel und Foto, lauter Bärte und Brillen über Unterschriften, hinter denen nichts zu erkennen ist. Aber solange sie zahlen, nimmt man sie alle, zahlen sie nicht, schickt man sie weiter. Die meisten bleiben nicht lange, am nächsten Morgen sind sie verschwunden, wer weiß wohin, manche für immer, niemand, der fragt. Ich spioniere meinen Gästen nicht nach, schon gar nicht denen, die selber Spione sind.
Was weiß man schon über Australien, Australien ist groß. Was Sie wissen, ist doch bloß angelesen: Kängurus, Krokodile, Koalas, das Meer, die Hitze, Naturkatastrophen. (Vermutlich eine Anspielung auf
Cyclon Tracy
, der, während Ms Ayrton in der Weihnachtsnacht ihre Gäste bewirtete, Darwin und das Northern Territory verwüstete./fh) Und dass man sich besser einen Hut auf den Kopf setzt, weil alles andere ungesund wäre, heutzutage reden ja alle von Krebs, geschieht ihnen recht.
Rücken wir’s doch mal ins rechte Licht, dieses Südland, das schöne Van-Diemens-Land: Nichts als Verbrecher und Versager, Diebstahl und Totschlag, alles verkauft und verraten, enteignete Seelen, die keine Anwälte haben. Wir sind schließlich nicht die Ersten am Ende der Welt, da waren schon ganz andere vor uns da, von denen überhaupt keiner redet, weil keiner ihre Sprache versteht, während die Zugereisten immer nur von sich selber sprechen. Kelly (gemeint ist vermutlich Edward Kelly/fh) und Pearce (Alexander Pearce/fh) und wie sie noch alle heißen. Was ist aus denen geworden? Schlechte Bücher, erbärmliche Filme, Lügen, Erfindung, schlechte Kunst, von Kultur keine Rede. Als könnte man Staat mit so was machen. Aber Gott sei Dank ist ja Platz für alle, da verliert und verläuft sich so manches, hier sind schon ganz andere untergetaucht als ein Karl, der angeblich gekommen ist, um irgendwelche Patente zu prüfen. Nicht, dass ich was von Patenten verstehe, weiß der Himmel, was der Mann hier geprüft hat. Nur, dass sie Vater und Tochter sind und für immer Vater und Tochter bleiben, dafür lege ich meine Hand ins Feuer, wie aus ein- und demselben Gesicht geschnitten.«
Der Rest des Abends vergeht mit dem Nachschenken von Portwein und der Abgleichung von Wirklichkeit und Erfindung. Ms Ayrton ist, wie sich schnell herausstellt, durchaus nicht Frau Voss in erster Ehe, sondern immer nur eine Ms Ayrton gewesen, er Engländer, sie Irin, eine heikle Mischung, wie Lucy nebenbei bemerkt, allerdings sei Mister Ayrton früh verstorben, sie habe ihren Frieden gemacht und nicht mal im Traum daran gedacht, sich womöglich ein zweites Mal zu verheiraten, »der Laden läuft ohne Mann doch viel besser«. Und ohne seine englische Königin, die, wie sie mit Nachdruck betont, ein ständiger Zankapfel zwischen ihr und Felicitas gewesen sei, die es »irgendwie mit Kronen hatte«, was Lucy nachsichtig auf Felicitas’ Hang zur Romantik zurückführt. »Von Geschichte hatte sie keine Ahnung, alles löste sich in Geschichten auf, was mich nicht störte, es kam mir nur allzu bekannt vor, ziemlich irisch nämlich.«
Kurz vor Mitternacht kommt die Rede auf Madame und Monsieur Paganel, von denen Lucy mit Sicherheit weiß, dass sie nichts als »reine Literatur« sind. »Franzosen auf Hochzeitsreise«, so die Wirtin lachend, »hätte es damals kaum zu
Grant’s Children
verschlagen.« Wohingegen sie sich sofort an Floater erinnert, »ein tüchtiger Esser und miserabler Geschäftsmann«, jahrelang einer der treuesten
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