Hoppe
zu halten, sich zu bescheiden, der einfach losgeht und nicht mehr umkehren kann und deshalb auch niemals zurückkehren wird. Ein Leben, in dem persönliches Glück keine Kategorie ist.«
Auf die Frage, was den Stoff für die Oper heute noch attraktiv mache: »Die Liebesgeschichte natürlich, was sonst. Nichts (lacht), was ein Publikum mehr begeistert als eine aussichtslose Liebesgeschichte. Nehmen Sie diese Laura Trevelyan (Sopran/fh), selbst für die Bühne eine quälende Rolle, im wirklichen Leben aber ganz unerträglich, mehr Nonne als Frau, die auf einer nächtlichen australischen Gartenparty ihr Schicksal an einen Verrückten bindet, von dem sie allen Grund hat anzunehmen, dass er niemals zurückkehren wird und sie folglich nicht glücklich machen kann. Denken Sie an die
Arie vom verlorenen Brief
(
Oh all these sweet Letters lost in the Desert
/fh), und Sie begreifen die Sache sofort. In der Arbeit an
Voss
habe ich tatsächlich begriffen, was es heißt, in ahistorischen Räumen zu denken und, weit schlimmer (lacht), was es heißt, darin zu leben. Man muss einfach wissen, wer weggeht und wer nicht zurückkommt, alles andere ist sinnlos.«
»Man muss wissen, wer weggeht und wer nicht zurückkommt, alles andere ist sinnlos.« So lautet auch der letzte Satz in Hoppes Geschichte
Die Sommerverbrecher (Picknick der Friseure)
, die folgendermaßen beginnt: »In der Nacht vor meiner Flucht in die Sommerfrische schlich ich ins Badezimmer, bezog Stellung vor dem Ganzkörperspiegel, verband mir die Augen und schnitt mir die Haare, bis ich mich nicht mehr erkannte.« Ob die Erzählung tatsächlich erst anlässlich eines deutschen Wettbewerbs für Nachwuchsprosa (
Foglio Preis für junge Literatur
, 1995 ) oder nicht schon früher entstand, sei dahingestellt. So oder so, ein klassisches Hoppeprogramm, das Viktor Seppelt besser als andere gekannt haben dürfte. Motivisch spiegelt sie, in so verknappter wie dramatisch überhöhter Form, Hoppes Lebensthema vom Suchen und Finden wider, wobei nicht ganz klar ist, wer hier eigentlich wen sucht und wer vor wem auf der Flucht in welche Sommerfrische ist. (Die »Sommerfrische« ist, nebenbei gesagt, ein schönes Beispiel für das von Hoppes Kritikern immer wieder erwähnte »Sprachmuseum«.) Das hier erzählende kindliche Ich (von dem wir, wie meistens bei Hoppe, nicht genau sagen können, ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelt) berichtet von seinem Vater, der eines Tages nach der Arbeit nicht mehr nach Hause kommt.
Während die Nachbarn behaupten, »mein Vater sei bei der Besichtigung des Museums für Arbeit und Unglück auf einen Aussichtsturm gestiegen und, allzu sehr in die Betrachtung des Umlands versunken, in die Tiefe gestürzt«, ist das Kind davon überzeugt, der Vater habe sich »in unser Sommerhaus zurückgezogen, wo er ohne Zweifel seine Tage damit verbrachte, die Bäume im Garten zu wässern und mich zu erwarten, während meine Mutter, deren Tüchtigkeit keine Jahreszeiten kannte, nicht müde wurde, mich bei fest verschlossenen Fenstern auf das Leben vorzubereiten«.
Im Verlauf der Geschichte, die kaum vier Seiten umfasst, entschließt sich die Mutter, das Sommerhaus an die Nachbarn zu verkaufen, woraufhin das Kind Mutter und Haus im Morgengrauen verlässt, fest entschlossen, den Vater, der »keinen Finger (rührt/fh), um meine Briefe zu beantworten« (sic!/fh), nicht für tot, sondern lediglich für verschollen zu halten. Der Text ist auf den ersten Blick mühelos als die Geschichte einer typisch jugendlichen Rebellion zu lesen, während Tracy Norman (in:
Missing the Summer
) darin nichts als ein weiteres Beispiel für Hoppes Sommerangst sieht. Versucht man dagegen, die Geschichte weitläufig biographisch zu deuten, erweist sie sich als vertrackt, haben wir es doch in Hoppes Fall mit zwei gleichermaßen verschollenen Elternteilen zu tun, mit der, dem Ruf eines »windigen Kapellmeisters« folgend, nach Osten verschwundenen Mutter Maria, von der bei Hoppe bemerkenswert selten die Rede ist, und ihrem nicht weniger windigen nach Westen verschwundenen Vater, dem Patentagenten Karl Hoppe, der, soweit sich das rekonstruieren lässt, in den frühen achtziger Jahren aufhörte, Briefe zu schreiben.
Liest man die Geschichte im Kontext der anderen im Band versammelten Texte (Familiengeschichten allesamt), erscheint
Die Sommerverbrecher
als Mosaikstein in einem Großen und Ganzen, das sich, wie Hoppes Werk insgesamt, aus zahlreichen Variationen ein- und desselben
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