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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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Schriftstellerin, auch da, wo ihre Fähigkeiten bereits weit über das Jugendwerk hinauswachsen, nicht aufschreibt, was sie erlebt, sondern lediglich erlebt, was längst geschrieben steht, wie ein Reisebericht mit dem Titel
Auf dass die Schrift sich erfülle
( 1987 ) bestätigt, in dem Hoppe ausführt:
    »Seit ich Fox und Cater getroffen habe, stoße ich überall auf Bekannte. Nur der, den ich wirklich suche (gemeint ist offenbar ihr Vater, Karl Hoppe/fh), bleibt unauffindbar, weil ihn bis heute niemand verschriftlicht hat. Soll das etwa heißen, dass es ihn gar nicht gibt? Ich gebe die Suche trotzdem nicht auf, ab morgen gehe ich auf Tournee, von Land zu Land, von Stadt zu Stadt, von Haus zu Haus, an jede Tür will ich klopfen, den Steckbrief mit seinem Bild hochhalten und nach ihm fragen. Zuerst wird es heißen: Kennen wir nicht, wer soll das sein, nie gehört, nie gesehen. Dann aber wird es, je nach Hartnäckigkeit, heißen: Gesehen zwar nicht, aber schon mal gehört, jemand hat gestern von ihm gesprochen, kann bei den Nachbarn gewesen sein. Und dann wird es, wider Erwarten, heißen: Natürlich, erst neulich im
Red Crab Inn
. Und dort schließlich wird man freundlich sagen (Fox weiß genau, wie man mit Gästen umgehen muss): Ja, er ist wirklich hier gewesen, hat hier gegessen, gespielt und getrunken, zwei Wochen lang jeden Abend dasselbe. Und hat immer gegen Cater verloren, was ihn verstimmt hat, aber nichts für ungut, der kommt immer wieder zurück.«
    Ein klarer Fall von Erfindung. Es ist kaum anzunehmen, dass Karl, egal ob mit oder ohne Felicitas, jemals im
Gasthaus zum Roten Krebs
eingekehrt ist, war Karl doch dafür bekannt, dass er öffentliche Räume nicht nur aus Gründen der Sparsamkeit mied und dass er so gut wie nie trank, ganz abgesehen von der Tatsache, dass er Schach nachweislich ausschließlich gegen seine Tochter spielte. Über den wahren Hergang der Episode
Roter Krebs
lässt sich bis heute keine verlässliche Aussage machen, nicht zuletzt deshalb, weil das
Red Crab Inn
(nicht zu verwechseln mit der gleichfalls in Brooklyn gelisteten
Red Crab Tavern
/fh) längst nicht mehr existiert und sich seine damaligen Besitzer nicht mehr ermitteln lassen.
    Ermittelbar dagegen ist, unter zehn amtlich gelisteten Einträgen zu Cater im New Yorker Telefonbuch, eine seit 1982 auf die Vermittlung junger Dirigenten spezialisierte Agentur namens
Cater & Partners
, deren Besuch uns zwar nicht mit Cater, dafür aber mit Partners in Gestalt einer so dezent wie elegant gekleideten und resoluten Dame Ende vierzig (glattes Gesicht, ernster Ausdruck, streng nach hinten gebundene Haare, die schwarz und ehrgeizig glänzen) bekannt macht, einer gewissen Lucy Bell, die hochhackige schwarze Schuhe trägt, weder hinkt noch eine schwarze Brille trägt und einzig durch ein in regelmäßigen Abständen wiederkehrendes nervöses Zucken der linken Augenbraue auffällt. Und nicht müde wird, uns auf die besondere Seriosität ihres Unternehmens hinzuweisen, das ausschließlich die Besten der Besten vermittele und größten Wert darauf lege, die einmal gesetzten künstlerischen Standards keinesfalls zu unterlaufen. Qualität, so Ms Bell, sei bekanntlich kein Hexenwerk, sondern nichts als die Frucht langjähriger Mühe und Arbeit. Sie selbst, daran lässt sie nicht den geringsten Zweifel aufkommen, unterscheidet den Künstler vom Hochstapler »auf hundert Meilen, mir macht man nichts vor«.
    Keine Frage, dass Lucy Bell sich nichts vormachen lässt. Ihr persönliches Motto, das neben dem äußerst anziehenden Jugendporträt eines Pianisten (vermutlich Glenn Gould, aufgenommen während seiner ersten Einspielung der Goldberg-Variationen) eingerahmt über ihrem beeindruckend großen Schreibtisch hängt, lautet GANZ ODER GAR NICHT , um, wie Lucy nachsichtig lächelnd erklärt (die linke Augenbraue beginnt wieder leicht zu zucken) »die Welt vor dem größten und kindlichsten Missverständnis von allen« zu bewahren, dass die Kunst auf der Straße liege und für jeden zu haben sei. Das Einzige, worauf es im Agentengeschäft ankomme, sei Unterscheidungsvermögen, wer nicht unterscheiden könne, sei fürs Geschäft verloren: »Wir vermitteln hier schließlich nicht Tingeltangel (die Braue zuckt wieder), sondern ausschließlich an große Häuser, weltweit, da hat man einen Ruf zu verlieren. Dies Land hat ja keine Königin mehr und ist folglich durch und durch hemmungslos. Wenn Sie wüssten, was hier für Leute anklopfen. Da bläst einer zwei

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