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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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ruht, sondern hungrig und gierig, genau wie wir selbst, ständig auf Bewunderung aus ist, weshalb die Besucher aus dem Staunen nicht herauskommen und immer wieder von vorne rufen: Was für eine Stadt!
    Ja, was für eine Stadt, die weit mehr ist als eine Stadt, weil sie ein ganzes Land sein will, um nicht zu sagen, die ganze Welt, mit allem, was die Welt so zu bieten hat: eine Explosion in der Wüste, lauter Atome aus Schönheit und Glück, so dass man einfach nicht anders kann, als kurzfristig die Augen zu schließen und die Hände über die Ohren zu legen, weil so viel Schönheit unerträglich ist. Wie die Sehnsucht nach dem ewigen Feuerwerk, das rund um die Uhr in die Höhe steigt und nur nach unten fällt, um gleich wieder aufzusteigen. Etwas Großartigeres habe ich nie gesehen, auch nicht in Brantford und schon gar nicht in Hameln, wo der Marktplatz erfahrungsgemäß viel zu klein ist für das, was ein echtes Feuerwerk wäre. Dort ist ja kaum Platz für den Rattenfänger und für den endlosen Zug all dieser Kinder und Ratten, die ein für alle Mal mitgehen wollen, um endlich das Gelobte Land zu sehen.
    Denn nur hier und sonst nirgends ist Platz für alle, Platz für jeden, egal, ob arm oder reich. Weshalb es mich nicht weiter wundern würde, wenn jetzt plötzlich die Könige kämen, nicht bloß drei, sondern mindestens hundert, fünfzig davon auf schneeweißen Kamelen, die anderen fünfzig auf Pferden aus Gold, die Kamele und Pferde von Ratten geführt, die silberne Rüstungen und zierliche Waffen tragen und ihren Dienst mit großer Würde versehen, auch wenn den Zuschauern kaum entgehen wird, dass sie über die Maßen erschöpft sind.
    Erschöpft bin ich übrigens auch. Und das ist kein Wunder, weil ich erst über das kanadische Eis wandern musste, um endlich hier in der Wüste zu landen. Und hätte Phyllis nicht ununterbrochen und unerbittlich auf ihrer Flöte gespielt, hätte ich sicher längst aufgegeben. Aber ich habe natürlich nicht aufgegeben, sondern bin einfach weitergegangen, Fuß vor Fuß: von Breslau nach Hameln, von Hameln nach Brantford, von Brantford nach Adelaide, von Adelaide nach Hahndorf, von Hahndorf nach Klępsk und von Klępsk bis ins Tal von Barossa (Barossa Valley/fh), wo ich, vermutlich weil ich dort eindeutig etwas zu viel trank, kurzfristig erlahmte, bevor ich mich wieder aufgerafft habe. Um dann von Barossa Valley nach Sydney zu gehen und von Sydney nach New York und von New York über Chittenango und Hannibal bis nach Dixville Notch. Und von dort aus weiter zum Wasserfall, wo ich plötzlich einen Anfall von Heimweh hatte, weshalb ich plötzlich wieder anfing, Postkarten zu schreiben. Aber Phyllis blieb unbestechlich, denn sie hatte den großen Plan (den ich natürlich nicht kannte) und rief mich immer wieder zur Ordnung und führte mich (mit dem für sie typischen warnenden Seitenblick) vorbei an Toms Zaun und von dort aus immer weiter nach Westen. Das war, was auf den ersten Blick gar nicht so aussieht, vermutlich der längste Weg, den ich je zurückgelegt habe, weil man, trotz guter Beschilderung, in diesem Land nicht selten vom Weg abkommt.
    Aber Phyllis wusste es besser. Sie wusste genau, wohin sie mich führte, in das erste wahre Imperium, in ein Land für alle, die davon träumen, nicht bloß König, sondern Kaiser zu werden. Weil in diesem Land jeder ein Kaiser sein kann, selbst Ratten könnten hier Kaiser werden, gesetzt den Fall, sie sind fleißig, gesund und klug genug, auf dem Weg durch die Wüste den langen Atem nicht zu verlieren. Und wenn ich sie jetzt so marschieren sehe, die lange Hauptstraße von Las Vegas herauf, muss ich gestehen, dass Phyllis, wie immer, recht gehabt hat, es hat sich wirklich gelohnt, weshalb mir jetzt gleich die Tränen kommen, denn, um ehrlich zu sein, ich hab’s nicht geglaubt. Aber jetzt bin ich da.
    SEID IHR ALLE DA ? Ja, natürlich, wir sind alle da, nicht nur die Könige auf ihren Kamelen und Pferden, sondern auch die anderen und etwas kleineren Könige, die einfach den Bus genommen haben, direkt in die Spielhölle, ins Fegefeuer der großen Saloons. Was kein Märchen ist. Wir sind nämlich wirklich alle da und so laut und geschäftig, dass man uns nicht übersehen kann, selbst dann nicht, wenn man sich einbildet, der Palast, die Säulen, die Flamingos und Schwäne seien nichts als Erfindung, nichts als die letzte Fata Morgana, die man aus der Wüste mitgebracht hat, die große Hoffnung auf die ehrlichste Täuschung von allen, die keine

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