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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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dass der Zettel schon seit Tagen dort liegt, im schlimmsten Fall wartet er schon seit Jahren auf mich, jene so klare wie vertraute Botschaft aus meinen kanadischen Kinderjahren, verfasst in der überdeutlichen Handschrift meines Entführervaters, die nicht mich, sondern meine Mutter betrifft: »Brauche Briefmarken. Die mit dem Schiffsmotiv.«

5. Hochzeit
    A us
Buch K
: »Wo auch immer du steckst, ich werde dich finden, ob du willst oder nicht, auch wenn du dich aus dem Staub gemacht hast und nichts hinterlässt als ein Schiffsmotiv. Unter uns gesagt, so darf man nicht gehen. Denn ich erinnere mich noch genau an jenen Sonntag im Mai, als mein Vater auf meine Mutter traf, in einem Land weit weg von hier, irgendwo draußen im Osten, ein komisches Land, das man im Buch der Sagen und Märchen immer noch Schlesien nennt, vermutlich, weil es dort niemals ein Telefon gab, als hätte es Alexander Bell nie gegeben. Man war ganz auf die Stille Post angewiesen, auf jene unscheinbaren Zeichen, die bis heute nur Eingeweihte zu lesen verstehen.
    Das wusste mein Vater genau, meine Mutter wusste es auch, und ich wusste es sowieso, obwohl ich noch gar nicht da war. Aber ich weiß noch genau, wie mein Vater eines Tages, kein Sonntag, sondern ein schlichter Dienstag, plötzlich mit Blumen vor der Tür stand (woher er die und das Geld dafür hatte, keine Ahnung), weil sein Ohr genau wie ihr Ohr (und später auch mein Ohr) auf A gestimmt war, genau wie das Telefon, der Grundton der zivilisierten Welt, damit wir uns besser hören können. Wir haben nämlich alle drei das absolute Gehör, nur dass Karl das nicht wusste, aber meine Mutter Maria erkannte das gleich. So wie sie überhaupt alles sofort erkannte, sie roch Talente von weitem und wusste, dass da einer vor ihr stand, der womöglich sogar in der Lage war, ein neues Leben für sie zu erfinden, so dass meine Mutter, jedenfalls der Überlieferung nach, sich immerhin kurzfristig in meinen Vater verliebte, vielleicht aus purer Bewunderung, kann aber auch sein, aus praktischer Sehnsucht und Hoffnung, was für den weiteren Verlauf der Geschichte nicht unwichtig ist.
    Kurz danach kam ich. Weshalb es ein Irrtum ist, wenn meine Biographen behaupten, ich sei bei der Hochzeit nicht dabei gewesen. Ich war ja längst da, bei näherem Hinsehen fast schon so gut wie sichtbar auf jenem ersten Bild, auf dem die Braut mit der ausgestreckten Rechten aufdringlich strahlend ein Glas in die Kamera hält, während links neben ihr, mehr Statist als Bräutigam, mein Vater steht. Das Paar wird flankiert von zwei wie nachträglich ins Bild montierten Trauzeugen in zu engen schwarzen Anzügen und mit lächerlich nach hinten pomadisierten Haaren. Im Hintergrund, auf einem großen, mit einem weißen Tuch eingedeckten Tisch, steht zwischen billigen Sträußen eine als Konzertflügel stilisierte Hochzeitstorte (unter einem Deckel aus Schokolade abwechselnd Buttercreme- und Kakaotasten), hinter dem Tisch eine Dreimannkapelle, deren Geiger seinen Bogen wie einen Dirigentenstab in die Höhe hält.
    Ein wie zufällig ins Bild gebrachtes Zögern, ein versuchter Tusch, der niemals Wirklichkeit wurde, weil meine Mutter, wie man sich später erzählte, schon mit der Torte nicht zufrieden war, von der Hochzeitsnacht zu schweigen, in der sie auf irgendwas anderes aus war, auf die Erfüllung eines Wunsches, den sie selbst nicht kannte, weshalb mein Vater ihn auch nicht erfüllen konnte, kann auch sein, dass er einfach nicht wusste, wie man Lippen liest. Obwohl ich genau weiß, dass mein Vater, wenn er will, so gut wie alles liest und alles erfüllen kann, schließlich ist er Erfinder, ein nüchterner Mann, der sich nicht mit Wünschen und Kaspertheatern befasst, sondern mit den Dingen an sich, mit allem, was er zwischen die Finger bekommt. Er prüft alles, nimmt sich das Beste und macht etwas Neues draus, haucht den Dingen Leben ein, weckt tote Leitungen auf und lässt wider Erwarten überall Licht werden, wo vorher nichts als Dunkelheit war. In anderen Worten: Er kann alles.
    In seinem Labor ereigneten sich zweifellos große Dinge, aber was er wirklich machte, wusste ich nicht. Manchmal war er tagelang nicht zu sehen, an anderen Tagen kamen Gäste, die meine Mutter nicht mochte und denen sie trotzdem Schnäpse servierte, bevor sie im Labor meines Vaters verschwanden, der niemals trank, ein Erfinder kann sich unruhige Hände nicht leisten. Aber mein Vater war nicht nur ein großer Erfinder, sondern auch ein großer

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