Hordubal (German Edition)
Mensch oder ein Baumstumpf. Ein Klotz bin ich, ein Baumstumpf ein schwarzer Ast, entflieh' bloß nicht; hast denn auch du Angst vor mir, wildes Getier? Nein, es hat keine Angst; es reißt ein Blättchen ab, blickt, mahlt mit dem Mund wie eine Ziege. Beck, beck, sagt es, stampft mit den Hufen auf und trabt weiter. Und Juraj ist plötzlich überglücklich, so leicht, so leicht steigt es hinan, und denkt an nichts. Er geht nur, geht, und fühlt sich wohl. Ein Reh hab' ich gesehn, wird er abends Hafia erzählen – oje, und wo? Nun, dort oben, in der Ebene gibt es keine Rehe, Hafia.
Und da ist es schon – niemand weiß, was eigentlich: ein zerfallener Bau, umherliegende Balken, aber was für Balken, Herrgott im Himmel, Glockenstühle könnte man daraus zimmern, von Nachtschatten und Himbeeren überwuchert, von wilden Lilien, Nießkraut, Farren und Storchschnabel, wahrlich, ein seltsamer und verwunschener Ort – hier wendet sich der Wald gen Mitternacht; schwarzer Wald, bemooster Wald, schwarz und feucht ist das Erdreich, ja, sogar spuken soll es hier; und weißliche, durchsichtige Pilze, wie Sülze, Hasenklee und Dunkelheit, immer diese Dunkelheit; kein Eichhörnchen hört man hier, keine Fliege, so ein schwarzer Wald ist es, ungern gehen Kinder hier durch und selbst die Männer schlagen ein Kreuz. Aber da ist schon der Waldrand, bis an die Knie watet man durch Heidelbeerbüsche und hebt die Zweige hoch, und wieviel Flechtwerk hier niederhängt, die Brombeeren halten einem die Füße fest, ach, nicht leicht entläßt einen der Wald ins freie Feld, man muß sich durch das Dickicht hindurcharbeiten wie ein Eber, und heidi! wie aus dem Wald geschossen, gleichwie vom Wald selber ausgespien, steht man auf der Alm, auf der Polonina, gelobt sei Jesus Christus, da sind wir.
Weit ist die Polonina: hin und wieder Fichten, groß und mächtig wie eine Kirche, man möchte den Hut abnehmen und laut grüßen; und das Gras glatt, glitschig, ganz kurz, weich stapft man darauf wie auf einem Teppich; lang und kahl dehnt sich die Polonina zwischen den Wäldern, wölbt sich weit und breit, den Himmel über sich, und hat die Wälder seitlich abgestreift: so wie wenn ein Mann seine Brust entblößt und daliegt, daliegt und dem lieben Gott in die Fenster guckt, – ah, ahah, wie geht da sein Atem! Und Juraj Hordubal ist auf einmal so kleinwinzig wie eine Ameise und trippelt über die Polonina, wohin, Ameislein? Nun, dorthin, hinauf zu dem Kamm, siehst du dort die kleinen roten Ameisen weiden? Dorthin strebe ich.
Weit ist die Polonina. Weit ist sie, himmlischer Vater: würdest du's glauben, eine Herde Ochsen? Diese roten Punkte? Gut hat es der Schöpfer: er blickt hernieder und sagt sich, dieser schwarze Punkt dort ist ein gewisser Hordubal, der lichte Punkt dort ist Polana; ich muß mal sehn, werden sich die beiden Punkte begegnen? oder soll ich sie mit dem Finger zueinander schieben? Und da flitzt etwas Schwarzes den Hang herunter und geradewegs hierher; es rennt, kollert den Abhang herunter, wer bist du? und du bist ein schwarzes Hündchen, zerkläffst dir dein Mäulchen, ach, geh doch, sehe ich wie ein Strauchdieb aus? Komm her, bist ein tapferer Hund; ich will mal nach dem Batscha droben sehen. Schon ist das Herdengeläute zu hören. »Hajza«, ruft der Hirte, mit großen, ruhigen Augen blicken die Ochsen auf Juraj, winken mit dem Schweif und weiden weiter; der Batscha steht unbewegt, wie ein Wacholderstrauch steht er und blickt dem Ankömmling entgegen.
»Hej«, ruft Juraj, »bist du's, Mischa? Nun, Gott zum Gruß!«
Mischa nichts, schaut nur.
»Kennst mich nicht? Bin der Hordubal.«
»So, der Hordubal«, sagt Mischa und staunt nicht; wer sollte über etwas staunen?
»Bin aus Amerika zurück.«
»Was?«
»Aus Amerika.«
»So, aus Amerika.«
»Wessen Ochsen weidest du da, Mischa?«
»Was?«
»Wessen Ochsen sind das?«
»So, wessen Ochsen. Aus Krivá.«
»So, so, aus Krivá. Schöne Tiere. Und du, Mischa, gesund? Bin gekommen, um dich zu sehen.«
»Was?«
»Nun, dich anzuschauen.«
Mischa nichts, blinzelt nur; man verlernt das Sprechen da oben. Hordubal legt sich, auf den Ellenbogen gestützt, ins Gras und nimmt einen Halm in den Mund; hier – hier eine andere Welt, man braucht nicht zu reden, 's ist nicht nötig. Vom April bis September weidet Mischa hier, sieht wochenlang keine Menschenseele –
»Nun, Mischa, warst du schon einmal dort unten, wo die Ebene ist?«
»Was?«
»Warst du in der Ebene, Mischa?«
»So,
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