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Hordubal (German Edition)

Hordubal (German Edition)

Titel: Hordubal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karel Capek
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in der Ebene. Nein.«
    »Und dort oben, auf dem Durny, da bist du schon gewesen?«
    »Ja.«
    »Und hier hinter dem Berg nicht?«
    »Nein.«
    Da siehst du – und ich – bis nach Amerika; und was hab' ich davon? Nicht einmal meine Frau versteh' ich –
    »Dort – das sind schon die andern Weiden«, sagt Mischa.
    »Hör mal«, fragt Juraj, so wie er zu fragen pflegte, als er noch ein Knabe war. »Was war einmal dieser Bau im Wald?«
    »Was?«
    »Dieser Bau im Wald.«
    »So, der Bau.« Mischa pafft nachdenklich aus seiner Tabakspfeife. »Wer weiß es. Man sagt, die Raubritter wollten dort eine Burg bauen. Aber was wissen die Leute.«
    »Und ist es wahr, daß es dort spukt?«
    »So, so«, sagt Mischa unbestimmt.
    Hordubal hat sich auf den Rücken gedreht. Gut ist es hier, denkt er; und was dort unten ist – das weißt du selbst nicht mehr. Dort drängen sich die Leute auf einem Hof, jeder steht dem andern im Wege, gleich werden sie wie die Hähne raufen; fast schmerzt der Mund, so heftig schließt du ihn, um nicht loszuschreien.
    »Hast du ein Weib, Mischa?«
    »Was?«
    »Ob du ein Weib hast?«
    »Nein.«
    In der Ebene sind keine solchen Wolken; dort ist der Himmel leer, aber hier – wie Kühe auf der Weide; man liegt auf dem Rücken und weidet. Und sie scheinen zu segeln, und man segelt mit ihnen, man fließt gleichsam fort, seltsam, daß man so leicht ist und mit ihnen schweben kann. Wohin gehen die Wolken, wohin geraten sie am Abend? Gleich als lösten sie sich auf, aber kann sich denn etwas nur so verlieren?
    Hordubal hat sich auf den Ellenbogen aufgestützt.
    »Ich wollte dich etwas fragen, Mischa – kennst du keine Liebeskräuter?«
    »Was?«
    »Ein Liebeskraut, das Liebe weckt. Damit sich zum Beispiel ein Mädel in dich verliebt.«
    »Ach«, brummt Mischa, »das will ich nicht.«
    »Du nicht, aber ein anderer möchte es.«
    »Und wozu«, ärgert sich Mischa. »Nicht nötig.«
    »Aber du kennst solche Kräuter?«
    »Kenn' ich nicht.« Mischa spuckt aus. »Bin keine Zigeunerin.«
    »Aber kurieren kannst du, Mischa, nicht wahr?«
    Mischa nichts, blinzelt nur.
    »Und was weißt du, woran du stirbst«, sagt er auf einmal.
    Hordubal hat sich klopfenden Herzens aufgesetzt.
    »Glaubst du, Mischa, daß – bald?«
    »Ah, Gott weiß. Wie lange lebt der Mensch?«
    »Und wie alt bist du, Mischa?«
    »Was?«
    »Wie alt du bist.«
    »Ah, weiß nicht. Wozu wissen?«
    Ach ja, wozu wissen, atmet Juraj auf; wozu wissen – zum Beispiel, was Polana denkt? Dort unten quält man sich damit herum; aber hier – nun, denk' dir, was du willst, Herzchen; wenn du glücklich wärst, würdest du nicht denken. Sonderbar, wie fern das alles von hier ist, so fern, daß einem fast bange wird. Der Mensch selbst – als ob er auch sich selber aus einer solchen großen Höhe betrachtete, wie er im Hof herumrennt, wütet und nachdenkt, und dabei ist er nur so eine gereizte kleine Ameise, die nicht weiß, wohin.
    Ein großer Friede senkt sich auf Juraj, so groß, daß es förmlich schmerzt. Seht ihn mal an, so ein Riesenkerl, und seufzt da, seufzt unter der Last der Stärkung. Ach, jetzt möchte ich noch nicht aufstehn und sie hinunter ins Tal tragen, ich möchte und könnte es nicht. Stille, stille liegen, damit es sich in meinem Innern senke und ordne; wohl Tage und Wochen so liegen und warten, bis es von selbst in sich versinkt; mag der Himmel sich drehen, mag ein Ochse den Kopf über ein Menschenantlitz neigen und schnauben, mag ein Murmeltier gucken, ob es ein Stein ist? Ein Stein ist es und schwupps auf ihn, Männchen machen und wittern; die Arme gebreitet liegt Hordubal auf dem Rücken, – es gibt keinen Hordubal mehr, nicht einmal Polana ist mehr – nur Himmel und Erde, Wind und Herdengeläute. Die Wolken zerrinnen und nichts bleibt von ihnen zurück, nicht so viel, als wenn man Glas anhaucht. So ein Ochs denkt, wie er sich schinden muß, und es ist nur ein Läuten aus der Ferne. Wozu wissen? Schaue. Auch Gott schaut. Welch großes Auge, ruhig wie der Blick eines Rindes. Und dieser Wind, es ist, als strömte und brauste die Zeit selber dahin: woher kommt sie und woher so viel? Und wozu es wissen?
    Es wird Abend, und Juraj kehrt talwärts heim, geht über die Polonina und dringt in den Wald, geht leicht und mit langen Schritten einher; die Last des Friedens hat sich in ihm bereits geordnet, nicht nötig, drauf achtzugeben. Gut, ich werde mich nicht deinen Augen aufdrängen, der Hof ist zu klein für zwei. Es wird sich irgendwo Arbeit

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