Hornblower 01 - Fähnrich zur See Hornblower
darstellten.
»Mein Gott, all das Viehzeug!« sagte ein anderer Matrose.
»Noahs Tiere liefen paarweise von selbst an Bord«, sagte Hornblower. »Leider sind wir nicht so gut dran. Aber zuerst muß einmal die Gerste an Bord. Macht gleich die Luken auf.«
Unter normalen Umständen hätte ein zwei- bis dreihundert Mann starkes Arbeitskommando der Indefatigable mit der Übernahme der Ladung aus den Leichtern kurzen Prozeß gemacht, heute mußten die achtzehn Mann der Barkaß dazu genügen. Glücklicherweise hatte Pellow in seiner Umsicht und Hilfsbereitschaft daran gedacht, den Ballast aus dem Raum über Bord hieven zu lassen, sonst hätten sie diese lästige Arbeit vor allem anderen erledigen müssen.
»Besetzt die Ladetakel, Männer!« befahl Hornblower.
Pellow konnte von weitem erkennen, wie die erste Bunsch Getreidesäcke langsam aus dem Leichter in die Höhe schwebte, einschwang und in der Luke der Caroline verschwand.
»Jetzt bin ich überzeugt, daß er es schaffen wird«, sagte er.
»Mann Spill, Mr. Bolton, und klar zum Segelsetzen.«
Hornblower überwachte aufmerksam die Arbeit an den Takeln, als er Pellows Stimme vernahm, der durch ein Megaphon herüberrief.
»Viel Glück, Mr. Hornblower! Melden Sie sich in drei Wochen in Gibraltar!«
»Jawohl, Sir, besten Dank, Sir!«
Als er sich wieder umwandte, stand ein Matrose vor ihm und führte grüßend die Hand an die Stirn:
»Verzeihung, Sir, hören Sie das Vieh dort unten im Leichter brüllen, Sir? Es herrscht eine Bullenhitze, und die Tiere brauchen unbedingt Wasser.«
»Verdammt noch mal, Sie haben recht«, sagte Hornblower.
Es war ausgeschlossen, daß er das Vieh noch vor Dunkelwerden an Bord brachte. Darum ließ er nur eine kleine Gruppe weiter Getreide laden, mit dem Rest der Leute improvisierte er ein Verfahren, die unglücklichen Tiere im Leichter zu tränken. Der halbe Laderaum der Caroline war mit Wasserfässern und Futter gefüllt, aber es war nicht so ganz einfach, das Wasser mit Pumpe und Schlauch in die Leichter zu schaffen. Zudem gerieten die durstigen Tiere völlig außer Rand und Band, als sie merkten, daß es zu saufen gab. Hornblower sah, wie sich der Leichter so weit auf die Seite legte, daß er um ein Haar gekentert wäre und wie einer seiner Leute - er konnte Gott sei Dank schwimmen - kurzerhand über Bord sprang, um nicht hoffnungslos zu Tode gequetscht zu werden.
»Verdammt noch mal!« rief Hornblower abermals und gewiß nicht zum letzten Male.
Für ihn galt es jetzt, ohne sachkundige Anweisung zu lernen, wie man auf See mit lebendem Vieh umzugehen hatte. Jede Minute brachte ihm eine neue Erfahrung. Es war erstaunlich, welche Aufgaben zuweilen an einen Seeoffizier im Borddienst herantraten, er durfte sich in dieser Hinsicht weiß Gott über nichts mehr wundern. Die Dunkelheit war längst hereingebrochen, als Hornblower mit der Arbeit ausscheiden ließ, und schon vor Morgengrauen holte er die Männer wieder heraus. Es war noch früh am Tage, da lag der letzte Sack Getreide im Raum, und nun stand Hornblower gleich vor der nächsten schwierigen Aufgabe, die Rinder aus dem Leichter an Deck zu hieven. Nach einer Nacht in der drangvollen Enge des Leichters, hungrig und durstig wie sie waren, ließen die Tiere nicht mit sich spaßen. Zu Anfang allerdings, solange sie noch eng gedrängt in dem Fahrzeug standen, kam man noch einigermaßen mit ihnen zurecht. Ein Bauchgurt wurde dem nächstbesten Stück umgelegt, das Ladetakel eingehakt, dann heißte man das Tier auf und fierte es durch eine Öffnung zwischen den Laufplanken an Deck, wo es sich willig in einen der Ställe treiben ließ. Die Seeleute schrien, schwenkten ihre Hemden und hatten an dem Manöver einen Heidenspaß. Aber gleich der nächste Ochse setzte ihrem Übermut einen gehörigen Dämpfer auf. Er ging nämlich sofort zum Angriff über, als man ihm den Bauchgurt abgenommen hatte, und jagte sie mit gesenktem Kopf an Deck umher, um sie auf die Hörner zu nehmen und zu Tode zu spießen. Endlich hatten sie ihn in einem Stall und verlegten ihm mit einem vorgeschobenen Balken den Weg. Hornblower sah mit Besorgnis, wie rasch die Sonne im Osten höher stieg, und konnte daher solchen zeitraubenden Abenteuern nicht den geringsten Spaß abgewinnen.
Je mehr sich der Leichter leerte, desto mehr Platz fanden die Tiere, um herumzurennen und einander nachzujagen, so daß es zuletzt geradezu lebensgefährlich war, sie einzufangen und ihnen den Bauchgurt umzulegen. Es wirkte auch nicht gerade
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