Hornblower 01 - Fähnrich zur See Hornblower
beruhigend auf diese halbwilden Rinder, wenn sie mit ansehen mußten, wie ihre Gefährten der Reihe nach brüllend über ihren Köpfen entschwebten. Noch ehe der Tag halb vergangen war, waren Hornblowers Männer so müde und abgekämpft, als ob sie von früh bis spät im Gefecht gewesen wären. Jede Seemannsarbeit schien ihnen jetzt begehrenswerter als diese ungewohnte Plackerei, und sie wären wohl tausendmal lieber in stürmischer Nacht in den Topp geentert, um ein Marssegel zu reffen, als sich mit diesen widerborstigen Kreaturen herumzuschlagen. Erst als Hornblower auf den Einfall kam, den Laderaum des Leichters durch kräftige Spieren zu unterteilen, ging die Arbeit leichter von der Hand, dennoch nahm sie eine Menge Zeit in Anspruch, und ehe noch das Ende abzusehen war, hatte es unter dem Vieh bereits ein paar Opfer gegeben. Einige schwächere Tiere der Herde waren bei der wilden Raserei im Leichter einfach niedergetrampelt worden.
Einmal gab es eine Abwechslung: von Land her näherte sich ein Boot, das von dunkelhäutigen Arabern gerudert wurde und an dessen Heck der Schatzmeister saß. Hornblower überließ es Tapling, die Verhandlung zu führen - offenbar hatte die Pest den Bey doch nicht so erschreckt, daß er darüber vergessen hätte, sein Geld zu fordern. Hornblower bestand nur darauf, daß sich das Boot gut frei in Lee des Schiffes hielt. Das Geld wurde ihm dann zugestellt, indem man es einfach in einem großen, leeren Rumfaß hinübertreiben ließ. Als die Dunkelheit herabsank, war noch nicht die Hälfte des Viehs in den Ställen an Bord der Caroline, und Hornblower machte sich Sorgen, wie die Tiere getränkt und gefüttert werden sollten. Er war froh über jeden Wink, den er den paar landwirtschaftlich geschulten Leuten seiner Besatzung durch diplomatische Fragen entlocken konnte.
Schon vor Morgengrauen rief er seine Männer wieder an die Arbeit. Es gab für ihn einen Augenblick heimlicher Schadenfreude, als Tapling um sein Leben auf den Laufsteg über den Ställen springen mußte, um einem rasenden Ochsen zu entkommen, der an Deck umherjagte und sich um keinen Preis in einen Stall sperren ließ. Als dann endlich das letzte Tier sicher untergebracht war, sah sich Hornblower vor ein neues Problem gestellt: er mußte sich um jene Verrichtung kümmern, die einer seiner Leute kurz und bündig »Ausmisten« nannte.
Füttern, tränken und nun auch noch ausmisten. Es sah so aus, als machte diese Decksladung Vieh allein so viel Arbeit, daß seine achtzehn Mann damit vollauf beschäftigt waren. Wer aber blieb dann noch, um das Schiff zu bedienen?
Einen Vorteil hatte es, daß die Männer so schwer heran mußten: Hornblower konnte mit grimmiger Freude feststellen, daß seit dem Beginn der Plackerei kein Wort mehr über die Pest gefallen war. Der Ankerplatz der Caroline war gegen nordöstliche Winde ungeschützt, und daher war es unerläßlich, daß er in See ging, ehe Wind aus dieser Richtung aufkam. Er musterte seine Männer und teilte sie in Wachen ein, er selbst war der einzige Nautiker an Bord, also mußte er die beiden Bootssteurer Maxwell und Jordan als Wachoffiziere einsetzen.
Ein Mann meldete sich freiwillig als Koch, wer aber sollte das Amt des Kochsmaaten übernehmen? Hornblower musterte seine Leute und bestimmte zuletzt Tapling dazu. Der öffnete schon den Mund, um dagegen Einspruch zu erheben, aber seine Worte blieben ungesagt, denn Hornblowers entschlossenes Auftreten erstickte jeden Widerspruch im Keim. Es gab auf diesem Schiff keinen Bootsmann, keinen Zimmermann und natürlich auch keinen Arzt, darüber gab sich Hornblower beklommen Rechenschaft. Was den Arzt betraf, so konnte er allerdings hoffen, daß die drohende Krankheit ein rasches und gnädiges Ende bescherte.
»Backbordwache Vorsegel und Großmarssegel los!« befahl er. »Steuerbordwache Mann Spill!«
So begann jene Reise Seiner Majestät Transportbrigg Caroline, die in der ganzen Marine als sagenhaftes Abenteuer bekannt wurde, weil jene, die dabeigewesen waren, bei ihren neuen Kommandos auf ungezählten Mittelwachen die tollsten Dinge darüber zu berichten wußten. Die Caroline machte die drei Wochen Quarantäne auf einer einzigen ziellosen Kreuzfahrt im westlichen Mittelmeer durch. Dabei mußte sie sich möglichst nahe der Meerenge halten, damit sie nicht durch westliche Winde und den meist in das Mittelmeer hineinsetzenden Strom zu weit nach Osten geriet und Gefahr lief, Gibraltar nicht zur befohlenen Zeit zu erreichen. So kreuzte
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