Hornblower 01 - Fähnrich zur See Hornblower
und zugleich spritzte an Steuerbord achtern dicht beim Schiff die Wassersäule einer abprallenden Kugel auf, die dann im Bogen über sie hinwegflog und vor dem Bug in die See klatschte. Hornblower fuhr rasch genug herum, daß er eben noch den verwehenden Qualm am Bug der Fregatte sah, die offenbar hinter ihnen hersetzte.
»Zwei Strich Steuerbord«, befahl er dem Rudergänger und versuchte mit einem einzigen raschen Blick den Kurs der Fregatte, die Windrichtung, die Peilungen der anderen Schiffe und des letzten dünnen Restes der Nebelbank gegeneinander abzuschätzen.
»Zwei Strich Steuerbord«, wiederholte der Rudergänger.
»Vor- und Großschoten!« befahl Hunter.
Wieder ein Schuß, diesmal viel zu kurz, aber der Seite nach genau gezielt.
Jetzt fiel Hornblower plötzlich die Herzogin ein.
»Euer Gnaden müssen jetzt unter Deck«, sagte er kurz und bestimmt.
»Nein, um Gottes willen, nur das nicht«, wehrte sich die Herzogin ganz entsetzt. »Bitte lassen Sie mich bleiben, wo ich bin. Unten halte ich es nicht aus. Meine Zofe liegt seekrank in ihrer Koje und möchte am liebsten sterben. Dieses winzige, stinkende Loch ist die Hölle.«
Die Kammer bot natürlich nicht die geringste Sicherheit, denn die Planken des kleinen Schiffchens waren viel zu dünn und schwach, um einer Kanonenkugel zu widerstehen. Tief unten im Laderaum wären die Frauen vielleicht in Sicherheit gewesen, aber dort hätten sie sich höchstens flach auf die Salzfleischfässer legen können.
»Segel voraus!« schrie der Ausguckposten.
Auch dort teilte sich jetzt der Nebel, und es zeigten sich die Umrisse eines Linienschiffes, das höchstens eine Meile entfernt war und den gleichen Kurs steuerte wie Le Reve . Bum - bum.
Das waren gleich zwei Schüsse von der Fregatte hinter ihnen.
Diese Schießerei verriet natürlich der ganzen spanischen Flotte, daß sich etwas Ungewöhnliches begab. Auch das Linienschiff dort vorn hatte wahrscheinlich längst beobachtet, daß die kleine Sloop verfolgt wurde. Eine Kugel sauste mit schrecklichem Geheul ganz dicht vorüber. Das Linienschiff schien auf sie warten zu wollen, Hornblower sah, wie seine Marssegel langsam backgeholt wurden.
»An die Schoten!« befahl Hornblower. »Mr. Hunter, bitte halsen.« Le Reve kam wieder herum und steuerte auf die immer enger werdende Lücke zu, die an Backbord noch offen war. Die Fregatte achtern drehte auf, um ihr den Weg zu verlegen.
Wieder qualmte es um ihren Bug. Eine Kugel sauste mit ohrenbetäubendem Geheul so dicht an Hornblower vorbei, daß er vom plötzlichen Winddruck taumelte. Das Großsegel hatte plötzlich ein Loch.
»Das sind keine Warnungsschüsse mehr, Euer Gnaden«, sagte Hornblower. Jetzt feuerte das Linienschiff, das ein paar Oberdecksgeschütze ausgerannt und besetzt hatte. Es war, als wäre der Weltuntergang gekommen. Le Reve bekam einen Treffer in den Rumpf, man fühlte, wie sich das Deck bei seinem Einschlag hob, als wollte das kleine Schiff in Stücke fliegen. Im gleichen Augenblick wurde auch der Mast getroffen, Wanten und Stege brachen, ein Regen von Splittern prasselte an Deck.
Der Mast, samt Segeln, Baum und Gaffel stürzte krachend nach Luv über Bord. Die Trümmer schleppten im Wasser nach und holten das arme, hilflose Wrack mit dem Rest Fahrt, den es noch hatte, zu sich herum. Die kleine Gruppe auf dem Achterdeck war im ersten Augenblick sprachlos vor Schreck.
»Ist jemand verletzt?« fragte Hornblower, der als erster wieder zu sich fand.
»Ich habe einen kleinen Kratzer abbekommen«, meldete sich ein Matrose. Es war ein Wunder, daß der Mast niemanden erschlagen hatte.
»Meistersmaat, peilen Sie die Pumpen«, sagte Hornblower, besann sich aber gleich eines Besseren: »Nein, belege das, sollen die Dons das Schiff über Wasser halten, wenn sie können.«
Das Linienschiff, dessen Salve den Schaden angerichtet hatte, braßte seine Marssegel schon wieder und hielt von ihnen ab, während die verfolgende Fregatte jetzt rasch näher kam. Eine weinende Jammergestalt tauchte aus dem achteren Niedergang auf, es war die Zofe der Herzogin, so außer sich vor Angst und Schrecken, daß sie die Seekrankheit ganz vergessen hatte. Die Herzogin legte ihr den Arm schützend um die Schultern und versuchte, ihr gut zuzureden.
»Ich würde Euer Gnaden empfehlen, sich um Ihr Gepäck zu kümmern«, sagte Hornblower. »Voraussichtlich werden wir uns bald trennen müssen, da Sie bei den Dons wohl ein Extraquartier bekommen werden. Ich hoffe, daß Sie dort
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