Hornblower 03 - Hornblower auf der Hotspur
an den Wind!« befahl er Prowse kurz und barsch, und die Hotspur drehte weiter - unsichtbare Männer holten an den unsichtbaren Brassen.
Das zweite Schiff des französischen Verbandes beendete eben seine Kursänderung, der Bug der Hotspur zeigte fast recht darauf zu. »Etwas Backbord!« Die Hotspur drehte. »Stütz!
Recht so!« Er wollte so dicht herankommen, wie es ohne Kollision überhaupt möglich war.
»Ich habe einen zuverlässigen Mann mit den Laternen nach oben geschickt, Sir«, meldete Bush. »In zwei Minuten sind sie klar.«
»Kümmern Sie sich jetzt um die Geschütze«, fuhr ihn Hornblower an, und da es jetzt nicht mehr auf Leisesein ankam, griff er nach dem Megaphon:
»Oberdeck! An die Steuerbordgeschütze! Ausrennen!« Was für Schiffe waren es, aus denen dieses französische Geschwader bestand? Ganz bestimmt war ihnen ein bewaffnetes Geleit beigegeben, nicht um ihnen kämpfend den Weg durch die Kanalflotte zu bahnen, wohl aber, um die Transportschiffe nach gelungenem Durchbruch vor einzelnen britischen Fregatten zu schützen, die den Atlantik unsicher machten. Mit zwei großen französischen Fregatten war da bestimmt zu rechnen, von denen wahrscheinlich die eine führte, die andere den Beschluß bildete.
Alles andere waren voraussichtlich wehrlose Transporter, Fregatten, die en flute bewaffnet waren. »Hart Backbord!«
»Recht so!«
Rahnock an Rahnock ging es mit dem zweiten Schiff der französischen Linie durch den Goulet, zwei Geisterschiffe rauschten Seite an Seite durch die finstere, schneeverhangene Nacht. Das dumpfe Rollen der Lafetten war verstummt.
»Feuer!«
An zehn Geschützen rissen zehn Arme die Abzugsleinen zurück, aus der Bordwand der Hotspur brachen zuckende Flammen und warfen ihren hellen Schein auf Segel und Rumpf des Franzosen. In der blitzenden Helle nahmen sich die Schneeflocken aus, als hielten sie sich schwebend auf der Stelle.
»Schießt, Männer, schießt!«
Drüben erhob sich sofort wildes Geschrei, eine französische Stimme rief ihm erregte Worte geradewegs ins Ohr - das war der Kommandant dort drüben, nur dreißig Meter entfernt, der mit dem Megaphon genau auf ihn zielte. Seine Worte klangen entrüstet, der Mann war offenbar empört, weil er annahm, daß er von einem der eigenen Schiffe beschossen wurde - denn daß ein Brite so weit vorgedrungen war, konnte er natürlich nicht vermuten. Seine aufgeregte Rede wurde mitten im Satz abgeschnitten, als der erste Schuß der zweiten Breitseite krachte.
Ihm folgten alsbald die anderen, denn die Männer luden und schossen, so schnell sie nur konnten. Bei jedem Aufblitzen tauchte das französische Schiff für den Bruchteil einer Sekunde aus dem Dunkel auf, um sogleich wieder in der pechschwarzen Nacht zu versinken. Die Neunpfünderkugeln der Hotspur krachten ohne Pause in das mit seiner Menschenfracht vollgepackte Schiff. Während Hornblower starr und reglos auf seinem Achterdeck stand, starben drüben - in seiner nächsten Nähe - Dutzende einen qualvollen Tod, nur weil sie der Tyrann des Kontinents in seinen Dienst gezwungen hatte. Dieses furchtbare Erlebnis, diesen überraschenden, unerklärlichen Beschuß ihres wehrlosen Schiffes standen die Franzosen bestimmt nicht gleichmütig durch, es war unvermeidlich, daß sie versuchten, ihm zu entgehen. Aha, jetzt drehten sie ab, obwohl sie damit auf die Klippen und Sande der nahen Nordküste des Goulet zusteuerten. Schon sah man die drei roten Laternen an der Kreuzmarsrah des Franzosen. Ob er mit Absicht oder nur infolge eines eingetretenen Schadens Ruder gelegt hatte?
Hornblower mußte herausfinden, was da drüben los war.
»Langsam Steuerbord!«
Die Hotspur drehte dem Gegner nach, ihre Kanonen spien Feuer. Genug, weiter ging es nicht. »Stütz! Etwas Backbord!
Recht so wie's jetzt geht!« Nun ein Griff nach dem Megaphon:
»Feuer einstellen!« In der Stille, die jetzt eingesetzt hatte, hörte man es laut krachen, als der Franzose auf Grund lief: Spieren stürzten polternd an Deck, Menschen schrien verzweifelt durcheinander. In der Finsternis, die den hellen Feuerblitzen folgte, war Hornblower ärger geblendet denn je, und doch mußte er handeln, als ob er einwandfrei sehen könnte, er durfte keinen Augenblick verlieren. »Großmarssegel back! An die Brassen!«
Die übrigen französischen Schiffe mußten auch noch erscheinen, ob sie nun wollten oder nicht. Der achterliche Wind, der Ebbstrom unter dem Kiel und die Felsen zu beiden Seiten ließen ihnen keine andere Wahl.
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