Hornblower 03 - Hornblower auf der Hotspur
Franzosen ausbrechen wollten, war diese Nacht ausnehmend günstig für sie. Über Ebbe und Flut wußten sie genauso Bescheid wie er selbst, und den Schnee sahen sie auch.
Die Zeit reichte noch bequem, um Anker zu lichten, Segel zu setzen und mit günstigern Wind, unterstützt vom Ebbstrom, durch den Goulet auszulaufen. Durch den Chenal du Four konnten sie bei dieser Windrichtung unmöglich entkommen, die Iroise-Bucht war - hoffentlich - durch das Küstengeschwader blockiert, aber in einer so dunklen Nacht wie dieser versuchten sie vielleicht dennoch lieber auf diesem Weg zu entkommen als durch den schwierigen Raz de Sein.
Neunzehn Faden - er war also gut luvwärts der›Kleinen Mädchen‹und konnte damit rechnen, daß er vom Mengam-Riff freikam. Wieder neunzehn Faden.
»Wir dürften Stauwasser haben, Sir«, murmelte Prowse, der gerade beim Licht der abgeblendeten Kompaßbeleuchtung nach der Uhr gesehen hatte.
Jetzt waren sie in Luv des Mengam-Riffs, für die nächsten Minuten war eine etwa gleichbleibende Tiefe von neunzehn Faden zu erwarten. Es wurde Zeit, sich für die nächste - nein, lieber gleich die übernächste - Maßnahme zu entschließen.
Sofort entrollte sich das Bild der Karte vor seinem inneren Auge.
»Horchen Sie!« Bush stieß Hornblower aufgeregt mit dem Ellbogen in die Rippen.
»Ausscheiden mit Loten!« befahl Hornblower. Er sprach mit erhobener Stimme, um sicherzugehen, daß er verstanden wurde.
So, wie der Wind stand, waren seine Worte gewiß nicht weit in der Richtung zu hören, nach der sie jetzt lauschten.
Da war es wieder, das Geräusch, und gleich darauf gesellten sich ihm auch noch andere Töne zu. Jetzt trug der Wind ein langgedehntes einsilbiges Wort herüber, und Hornblower faßte es mit seinen überwachen Sinnen sofort auf. Ein Franzose hatte seize - Sechzehn - gerufen. Die französischen Lotsen benutzen zum Messen der Wassertiefe immer noch das altmodische Maß der Toise, die um ein weniges länger war als der englische Faden.
»Da sind Lichter«, murmelte Bush und rammte Hornblower seinen Ellbogen erneut in die Rippen. Richtig, da und dort sah man jetzt einen Schimmer - der Franzose hatte sein Schiff längst nicht so wirksam abgeblendet wie die Hotspur . Der schwache Lichtschein genügte, um den Beobachtern einige Klarheit über die Lage zu verschaffen. Ein Geisterschiff glitt in Steinwurfweite vorüber. Unvermittelt sah man seine Marssegel, ihre Hinterfläche mußte ein dünnes Schneekleid tragen, dessen schimmernde Weiße jedes Licht reflektierte, das sich an Deck zeigte. Man sah... »Drei rote Lichter nebeneinander an der Kreuzmarsrah«, flüsterte Bush. Jetzt waren sie gut zu sehen, wahrscheinlich waren sie nach vorn abgeblendet und leuchteten nur nach achtern, um nachfolgende Schiffe zu führen.
Hornblower fühlte plötzlich, wie ihm seine Eingebung zwingend vorschrieb, was zu tun war, jetzt sofort, in fünf Minuten, auf lange Sicht.
»Los«, zischte er Bush zu, »lassen Sie auch bei uns an der gleichen Stelle drei Lampen heißen. Sie bleiben vorläufig abgeblendet, aber so, daß sie ohne Verzug gezeigt werden können.«
Bush war beim letzten Wort verschwunden, Hornblower mußte schnell weiterdenken, blitzartig mußten seine Entscheidungen fallen. Eine Wendung war für die Hotspur zu gewagt, also mußte sie halsen. »Halsen!« befahl er Prowse kurz.
Für die höflichen Formeln, die ihm sonst so leicht über die Lippen flössen, war jetzt keine Zeit. Als die Hotspur herumschwang, sah er, wie die drei nebeneinandergesetzten roten Laternen fast in eins zusammenrückten und wie im gleichen Augenblick ein blauer Schein aufleuchtete. Das französische Schiff änderte Kurs, um den Goulet seewärts zu passieren, und brannte als Signal für die nachfolgenden Schiffe ein Blaufeuer ab, damit sie der Reihe nach in seinem Kielwasser abfielen. Jetzt erkannte Hornblower auch das zweite französische Schiff - einen zweiten schwachen Schatten -, das Blaufeuer half ihm, es zu entdecken.
Als Hornblower seinerzeit in Ferrol gefangensaß, hatte Pellew mit der alten Indefatigable einem aus Brest flüchtenden französischen Geschwader schwere Kopfschmerzen bereitet, indem er die französischen Signale kopierte, aber das war in dem vergleichsweise offenen Fahrwasser der Iroise-Bucht gewesen. Hornblower hatte schon mit dem Gedanken gespielt, eine ähnliche Taktik zu versuchen, aber hier, in dem engen Goulet, war Gelegenheit, dem Gegner härtere Schläge zu versetzen.
»Mit Steuerbordhalsen
Weitere Kostenlose Bücher