Hornblower 03 - Hornblower auf der Hotspur
Hornblower füllte zwei große Gläser. Der Kapitän nickte genießerisch, als er den ersten Schluck getrunken hatte.
»Haben Sie einen guten Fang gehabt?« erkundigte sich Hornblower höflich.
Er hörte geduldig zu, während ihm nun der Kapitän in fast unverständlichem Bretonisch auseinander setzte, wie wenig bei der Sardinenfischerei zu verdienen sei. Die Unterhaltung plätscherte weiter, man sprach von den Annehmlichkeiten des Friedens und dann, nun ja, von den Wechselfällen des Krieges - die Überleitung war gar nicht schwer, denn wo immer zwei Seeleute zusammenkamen, gab es ohnehin kaum ein anderes Thema als den Krieg.
»Man wird sich jetzt bei Ihnen die größte Mühe geben, Besatzungen für die Kriegsschiffe zu finden.« Der Kapitän zuckte die Achseln: »Natürlich.« Das Achselzucken verriet mehr als alle Worte.
»Ich kann mir vorstellen, daß das seine Zeit braucht«, sagte Hornblower, und der Kapitän nickte zustimmend. »Aber die Schiffe selber werden wohl seeklar sein?« Hornblower hatte keine Ahnung, was »außer Dienst gestellt« auf französisch hieß, darum mußte er die Frage im entgegengesetzten Sinne formulieren. »O nein, keine Spur«, sagte der Kapitän und gab Hornblower zu verstehen, wie wenig von den französischen Marinedienststellen zu halten war. Kein einziges Linienschiff sei einsatzbereit, erklärte er, wie könnte es auch anders sein?
»Lassen Sie sich einschenken, Kapitän«, sagte Hornblower.
»Die Fregatten werden wohl zuerst ihre Besatzungen bekommen, nicht wahr?« Ja, soweit es welche gebe. Der bretonische Kapitän wußte das nicht. Dann fiel ihm etwas ein.
Richtig, da war doch... Hornblower brauchte eine Weile, bis er begriff, was der andere meinte. Die Fregatte Loire (dieser Name, bretonisch ausgesprochen, gab ihm das größte Rätsel auf) sei in der vergangenen Woche seeklar gemacht worden, um nach dem Fernen Osten auszulaufen, aber das Oberkommando der Marine habe ihr in seiner üblichen Borniertheit im letzten Augenblick die besten Leute von Bord geholt, um sie als Besatzungsstämme auf andere Schiffe zu verteilen. Der bretonische Kapitän vertilgte erstaunliche Mengen Rum und nahm dabei kein Blatt vor den Mund. Er erzählte von dem schweren Groll des bretonischen Volkes gegen die atheistische Richtung, die zur Zeit in Frankreich am Ruder war, er wußte mit drastischen Worten zu schildern, wie man in den Kreisen der Berufsseeleute über die törichten Maßnahmen dachte, die von den hohen Herren der republikanischen Marine ausgeheckt wurden.
Hornblower brauchte ihm nur fleißig einzuschenken und aufmerksam zuzuhören. Dabei bewährte sich wieder einmal seine Gabe, einer Unterhaltung in fremder Sprache so genau folgen zu können, daß ihm nichts von dem Gehörten entging.
Als sich der Kapitän schließlich erhob, um Abschied zu nehmen, bedauerte Hornblower mit herzlichen Worten, daß sein Besuch schon zu Ende sei, und man darf sagen, daß dies sogar ehrlich gemeint war.
»Aber, mon Capitaine, wir könnten uns am Ende doch wiedersehen - auch wenn es Krieg geben sollte. Sie dürften ja wissen, daß sich die Royal Navy von Großbritannien nicht dazu hergibt, Krieg gegen Fischer zu führen. Ich werde mich immer freuen, wenn ich Ihnen etwas von Ihren Fängen abkaufen kann.«
Jetzt traf ihn ein scharfer Blick des Franzosen, wahrscheinlich weil damit die Geldfrage angeschnitten war. Das war ein entscheidender Augenblick, es galt genau zu überlegen: Wie viel sollte man geben? Was sollte man dem Mann sagen?
»Die heutige Lieferung zahle ich Ihnen jetzt gleich«, sagte Hornblower mit der Hand in der Tasche. Er brachte zwei Zehnfrancstücke zum Vorschein und drückte sie in die schwielige Hand des Kapitäns. Der konnte nicht verhindern, daß sein wettergegerbtes Gesicht im ersten Augenblick maßloses Staunen verriet, aber dem Staunen folgte sogleich ein Ausdruck der Habgier, dann in rascher Folge Argwohn, Berechnung und endlich der Entschluß, das Gebotene anzunehmen, wobei sich seine Finger zur Faust schlössen und das Geld in die Hosentasche versenkten. Gleich dem Farbenspiel eines sterbenden Delphins hatten sich die verschiedenen Regungen in den Zügen des Kapitäns gespiegelt. Zwanzig Francs in Gold für ein paar Pützen voll Sardinen, das war eine Menge Geld.
Wahrscheinlich konnte er sich, seine Frau und seine Kinder für diesen Betrag eine ganze Woche lang ernähren. Zehn Francs mochten seine Leute in der Woche an Heuer bekommen. Wie man die Sache auch ansah, irgend
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