Hornblower 03 - Hornblower auf der Hotspur
dabei wegen der vielen Pflichten, die mit dem Auslaufen zusammenhingen, so wenig bei der Sache gewesen, daß es ihm seltsam vorkam, wie fest und dauerhaft die Bindung war, die sich daraus ergeben hatte. Was er eben gelesen hatte, deutete nun gar darauf hin, daß es aus diesem »Ehe« genannten Bündnis wirklich so gut wie kein Entrinnen gab. Er sollte also Vater werden. Nicht um alles in der Welt hätte er sagen können, ob er sich darüber freute oder nicht. Er konnte das Unglückswurm nur bedauern, wenn es seine eigenen unglücklichen Charakteranlagen mit auf den Weg bekam. Je ähnlicher ihm das Kind wurde, sei es äußerlich oder in seinem Wesen, desto mehr verdiente es sein Mitleid. Aber wie?
Stimmte das denn auch wirklich? War es nicht im Grunde schmeichelhaft, war es nicht ein schöner Gedanke, daß seine Eigenschaften in einem neuen Menschen weiterleben sollten?
Wahrlich, es war nicht einfach, aufrichtig gegen sich selbst zu sein. Seine Gedanken waren endlich einmal von den nächstliegenden Problemen abgeschweift, darum gelang es ihm auch ganz gut, sich seine allzukurzen Flitterwochen ins Gedächtnis zu rufen. Er sah sie wieder vor sich, seine Maria, in ihrer närrischen, unbändigen Verliebtheit. Sie war der felsenfesten Überzeugung, daß sie selbst nur so fanatisch lieben konnte, weil er ihre Liebe ebenso glühend erwiderte. Nie, nie durfte sie erfahren, wie es wirklich um seine Gefühle für sie bestellt war, das wäre eine Grausamkeit gewesen, an die er gar nicht denken durfte. Er langte nach Papier und Feder. Dieser eine Griff zauberte ihn blitzschnell zurück in die Welt der kleinen Alltäglichkeiten, denn er mußte sich wie immer darüber ärgern, daß er einen Gänsekiel vom linken Flügel besaß. Federn vom linken Flügel der Gans waren billiger als die vom rechten, weil sie beim Schreiben auf das Auge des Schreibenden zeigten und nicht wie die anderen bequem über den Ellbogen hinweg.
Aber er hatte wenigstens eine gute Spitze geschnitten, und die Tinte war auch noch nicht dick geworden. Verbissen machte er sich ans Werk. Eigentlich hatte er vor, einen Aufsatz zu schreiben, eine Art Essay über Liebe ohne Grenzen. Aber was war denn das? Er merkte, wie er beim Schreiben leise zu lächeln begann, wie er echte Zärtlichkeit für seine Maria empfand, die ihm wie von selbst durch den Arm in die Feder entströmte. Ja, am Ende stellte er sich die Frage, ob er denn wirklich der kalte, gewissenlose Egoist war, für den er sich allen Ernstes hielt. Als er gegen Ende des Briefes sinnend aufsah, weil er nach anderen Worten für »Frau« und »Kind« suchte, blieb sein Blick an Pellews beiden Schreiben haften. Da hielt er unwillkürlich den Atem an und war mit den Gedanken sogleich wieder beim Dienst, bei seinen grausamen Vernichtungsplänen, kurz, in der rauhen Luft der Welt, in der er lebte. Die Hotspur wiegte sich sachte in der ruhigen See, aber allein aus dem Kurs, auf dem sie beigedreht lag, ging ja hervor, daß eine günstige Brise von Brest her wehte. Jeden Augenblick konnte da ein lauter Ruf des Ausgucks melden, daß die französische Flotte die Fahrt nach See zu angetreten hatte, um sich im Qualm und Donner der Geschütze die Seeherrschaft zu erkämpfen. Vor allem aber hatte er ja auch seine eigenen Pläne. Als er die letzten Sätze seines Briefes an Maria noch einmal überflog, verschwammen ihm die Worte vor den Augen, weil er gar nicht mehr bei der Sache war, sondern nur noch die Ansteuerung von Brest mit allen ihren Einzelheiten im Geiste vor sich sah. Er mußte sich richtig zusammenreißen, um den Brief an Maria in dem Stil zu Ende zu bringen, in dem er ihn begonnen hatte. Endlich waren die abschließenden Worte geschrieben und durchgelesen, der Bogen wurde gefaltet, ein Ruf nach dem Posten brachte Grimes mit brennender Kerze herbei, damit er ihn versiegeln konnte. Als auch diese langwierige Arbeit glücklich geschafft war, durfte er den Brief aufatmend beiseite legen. Ohne Verzug griff er nach einem frischen Bogen Papier.
Seiner Majestät Korvette Hotspur , in See, Petit Minou in Nord drei Seemeilen, 14. Mai 1803 Sir,...
Gott sei Dank, nun war es endlich aus mit dem honigsüßen Wortgeplätscher und all den tapsigen Versuchen, einer völlig ungewohnten Lage gerecht zu werden, nun schrieb er nicht mehr (wie im Traum) an die »Herzallerliebste Lebensgefährtin künftiger glücklicher Jahre«. Jetzt hatte er eine Aufgabe vor sich, die ihn fesselte und der er sich gewachsen fühlte. Um sie in Worte
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