Hornblower 03 - Hornblower auf der Hotspur
»Wachwechsel, Sir«, sagte er. »Danke, ich komme.«
Bei dem zwitschernden Lärm der Pfeifen und den Rufen der Bootsmannsmaate, die durch die Decks hallten, hätte er der Worte Grimes' kaum bedurft, aber Hornblower hatte die Rolle eines Mannes zu spielen, der eben aus dem Schlaf gerissen wurde. Er knotete seine Halsbinde neu, zog Rock und Schuhe an und ging an Deck. Dort kam ihm Bush mit Papier und Bleistift in der Hand entgegen. »Der Semaphor hat signalisiert, Sir«, meldete er. »Zwei lange Winksprüche, einen um vier Uhr fünfzehn, den anderen um vier Uhr dreißig. Dann zwei kurze und - da, eben fängt er wieder an!« Die langen dünnen Arme des Semaphors tanzten hektisch auf und ab. »Danke, Mr. Bush.« Es genügte ihm zu wissen, daß der Semaphor in vollem Betrieb war. Hornblower nahm das Glas ans Auge und blickte nach See hinaus. Das Küstengeschwader hob sich scharf gegen den klaren Himmel ab. Die Sonne, die sich eben auf die Kimm nieder senkte, hatte noch so viel Leuchtkraft, daß er nicht hineinschauen konnte, aber das Geschwader lag ein gutes Stück nördlich von ihr. » Tonnant signalisiert wieder, Sir, aber es ist ein›Einundneunzig-Signal‹«, meldete Foreman. »Danke.«
Es war angeordnet worden, daß Flaggensignale der Tonnant , denen die Zahlenwimpel neuneins vorausgingen, nicht berücksichtigt werden sollten. Die Tonnant gab sie nur, um die Franzosen auf Petit Minou glauben zu machen, daß das Küstengeschwader einen Gewaltstreich plane.
»Da kommt die Najade , Sir«, sagte Bush.
Die Fregatte hatte ihre Position im Süden, wo sie die Camaret-Bucht überwachte, verlassen und glitt unter kleinen Segeln nach Norden, um sich mit den Linienschiffen und der Doris zu vereinigen. Die Sonne berührte eben die Kimm, der unterschiedliche Wassergehalt der fast klaren Luft rief seltsame Lichtbrechungen hervor, so daß die rote sinkende Scheibe leicht abgeplattet erschien.
»Sie heißen ihre Barkaß aus dem Klampen, Sir«, beobachtete Bush. »Ja.«
Die Sonne war jetzt halb eingetaucht, die obere Hälfte war durch die Strahlenbrechung auf das Doppelte ihres Durchmessers auseinandergedehnt. Für einen Beobachter auf Petit Minou, der ein gutes Glas besaß - und der war zweifellos auf dem Posten -, war es immer noch hell genug, um die Vorbereitungen zu erkennen, die an Deck der Doris und der Linienschiffe getroffen wurden. Jetzt war die Sonne weg. Über der Stelle, wo sie untergegangen war, schwamm ein winziges, goldglänzendes Wölkchen und verfärbte sich zu roter Glut, während Hornblower hinsah. Die Dämmerung senkte sich über die Hotspur .
»Bitte, Mr. Bush, schicken Sie die Leute an die Brassen.
Brassen Sie das Großmarssegel voll, und legen Sie das Schiff mit Steuerbordhalsen an den Wind.«
»Steuerbordhalsen, aye, aye, Sir.«
Die Hotspur glitt in der sinkenden Nacht hinter der Doris her langsam nach Norden. Beide hielten auf die großen Schiffe und Point St. Mathieu zu.
»Der Semaphor arbeitet wieder, Sir.«
»Danke.«
Der dämmerige Himmel war gerade noch hell genug, daß man die schlanken Arme des Semaphors unterscheiden konnte, wie sie eifrig durch die Luft wirbelten, um die letzten Bewegungen auf britischer Seite, die nach Norden gerichtete Konzentration der Streitkräfte und damit die Lockerung der Blockade vor den südlichen Ansteuerungen zu melden.
»Achten Sie darauf, daß wir immer eben Fahrt behalten«, sagte Hornblower zum Rudergänger. »Die Froschfresser dürfen nicht merken, was wir im Schilde führen.«
»Aye, aye, Sir.«
Hornblower war voller Unruhe, er wollte sich nicht zu weit von Toulinguet entfernen. Wieder und wieder hob er den Kieker, um nach dem Küstengeschwader Ausschau zu halten.
Hinter den Schiffen lief ein roter Streifen am Himmel den Horizont entlang - der letzte Schimmer des verdämmernden Tages -, und vor diesem standen kohlschwarz die Segel des Geschwaders. Die Röte schwand rasch dahin, darüber funkelte schon die Venus. Pellew da drüben hielt unentwegt durch, bis ihm der rechte Augenblick gekommen schien, er hatte eiserne Nerven und beging vor allem nie den Fehler, den Gegner zu unterschätzen. Endlich sah man, wie sich die rechteckigen Silhouetten der Marssegel verkürzten, zögernd innehielten und wieder länger wurden. »Das Küstengeschwader ist an den Wind gegangen, Sir.«
»Danke.«
Von den Segeln des Geschwaders war schon nichts mehr zu sehen, denn die letzte Spur der Dämmerung war erloschen.
Pellew hatte die Zeit seiner Kursänderung mit
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