Hornblower 03 - Hornblower auf der Hotspur
wie falsch das gewesen war. Dieser Bursche, der vor Angst nicht mehr ein noch aus wußte, konnte das ganze Unternehmen gefährden, wenn er ihn zu seinem persönlichen Beistand und Gehilfen machte. Aber die ersten Worte, die er fand, entsprachen noch dem, was ihm zuvor durch den Kopf geschossen war.
»Bei Gott, ich könnte dich hängen lassen!« schrie er ihn an.
»Nein, Sir! Nein, Sir! Bitte nicht!« Grimes konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, im nächsten Augenblick lag er bestimmt vor ihm auf den Knien.
»Also nicht, in Gottes Namen«, sagte Hornblower. Die Verachtung, die er dabei empfand, galt nicht dem Feigling, der da vor ihm stand, sondern dem Mann, der seine Feigheit so offen verriet. Sogleich stellte er sich die Frage, mit welchem Recht er diesen Mann eigentlich zu verachten wagte. Daraus ergab sich die Überlegung, was das Wohl der Navy von ihm verlangte, und dann wiederum... Ach was, er hatte jetzt für solche unfruchtbaren Haarspaltereien keine Zeit. »Gut«, fuhr er Grimes an, »Sie bleiben also an Bord. Halten Sie aber gefälligst den Mund!«
Grimes wollte seinen Dank zum Ausdruck bringen, doch Hornblower schnitt ihm das Wort ab.
»Ich nehme Hewitt von der zweiten Bootsbesatzung mit. Der kann mich an deiner Stelle begleiten. Sag ihm, er solle so bald wie möglich zu mir kommen.«
Die Minuten flogen dahin wie immer, wenn es die letzte Hand an ein geplantes Unternehmen zu legen galt. Hornblower schob sein Koppel durch die Schlaufe an der Scheide seines Entermessers und schnallte sich die Waffe um. Ein lang herabhängender Säbel war immer im Weg und schlug laut klappernd gegen jedes Hindernis. Für das, was er im Sinn hatte, gab es keine handlichere Waffe als das Entermesser. Zuletzt überlegte er noch einmal, ob er nicht doch eine Pistole mitnehmen sollte, aber er ließ diesen Gedanken gleich wieder fallen. In gewissen Lagen mochte eine Pistole von Nutzen sein, aber sie war eben doch über die Maßen lästig und hinderlich.
Viel lieber war ihm eine andere Waffe, die wesentlich weniger Lärm machte - eine lange, mit Sand gefüllte Wurst aus starkem Segeltuch mit einem Stropp für das Handgelenk. Hornblower brachte sie griffbereit in seiner rechten Tasche unter.
Jetzt meldete sich Hewitt und mußte in kurzen Worten über seine Aufgabe unterrichtet werden. Der schräge Blick, den er auf Grimes warf, verriet ein gut Teil seiner Gedanken, aber für lange Ehrenrettungen war jetzt keine Zeit - der traurige Fall mußte später noch einmal ausgepaukt werden. Im Augenblick galt es, Hewitt den Inhalt des Beutels zu zeigen, der ursprünglich für Grimes bestimmt gewesen war - den Feuerstein und den Stahl, die weiterhelfen mußten, wenn die verdunkelte Laterne ausging, die öligen Lappen, die langsame und die schnelle Lunte, die Blaulichter für Sofortzündung. Hewitt ließ sich alles mit ernster Miene erklären und wog den Sandsack, der ihm als Waffe dienen sollte, behutsam in der Hand.
»Fertig? Dann können wir gehen«, sagte Hornblower.
»Sir!« rief da Grimes in flehendem Ton, aber Hornblower wollte, nein, konnte sein Gejammer jetzt nicht mehr anhören.
An Deck war es stockfinster, Hornblower brauchte eine ganze Weile, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
Ein Offizier nach dem anderen meldete, daß alles klar sei.
»Mr. Cotard, wissen Sie auch genau, was Sie zu sagen haben?«
»Jawohl, Sir.«
Cotard besaß wirklich nichts von dem leicht erregbaren Temperament eines Franzosen. Er war so ruhig und gleichmütig, wie es sich der Anführer eines Überfalls nur wünschen konnte.
»Einundfünfzig Mann angetreten«, meldete der Hauptmann der Seesoldaten.
Diese Seesoldaten waren erst am Abend zuvor an Bord gekommen. Sie hatten den ganzen Tag über in drangvoller Enge unter Deck gelegen, damit sie kein Fernglas von Petit Minou erspähen konnte. »Danke, Hauptmann Jones. Haben Sie sich auch überzeugt, daß keine Muskete geladen ist?«
»Jawohl, Sir.«
Bis der Gegner Alarm schlug, durfte kein Schuß fallen.
Bajonette, Kolben und Sandsack hatten geräuschlos ihr Werk zu tun, aber dessen konnte man nur sicher sein, wenn die Musketen bestimmt nicht geladen waren.
»Die Landungsabteilung ist vollzählig an Bord des Fischerboots, Sir«, meldete Bush.
Das Hummerboot, das zur grenzenlosen Bestürzung seiner Besatzung schon am frühen Abend aufgebracht worden war, lag längsseit. Die französische Crew saß gefangen unter Deck. Die Männer waren deshalb so überrascht, weil
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