Hornblower 04 - Hornblower wird Kommandant
sich jetzt sofort mit höchster Fahrt auf denjenigen von den beiden, den er am raschesten erreichen konnte. Noch führte er alle Segel, damit es auf jeden Fall zum Zusammenstoß kam, ehe die Atropos sich einmischen konnte. So hatte er alle Aussicht, die Nightingale in Stücke zu schießen und dann die Atropos aufs Korn zu nehmen.
Wenn ihm das gelang - es war nicht auszudenken -, dann stand die Atropos , stand er vor der furchtbaren Entscheidung, ob er den Kampf annehmen sollte oder nicht.
»Schiff ist klar zum Gefecht«, meldete Jones.
»Danke sehr.«
Jetzt entdeckte er sie mit dem Glas, ein winziges Segel, weit hinter der Castilla . Während er sie weiter beobachtete, erschienen die Bramsegel unter den Royals, dann waren die Royals plötzlich verschwunden, die Nightingale kürzte also ihre Segel auf die vorgeschriebene Gefechtsbesegelung. Hornblower hatte einiges über Ford gehört, er galt als guter Kommandant und eiserner Draufgänger, wollte Gott, daß er auch die nötige Umsicht besaß. Nach der Rangliste war Ford bedeutend älter als er, darum konnte ihm Hornblower unmöglich befehlen, sich noch eine Weile vom Gegner fernzuhalten.
Die Castilla hielt immer noch unter vollen Segeln auf die Nightingale zu.
»Signal, Sir, Nummer 72: Ran an den Feind!«
»Verstanden zeigen.«
Hornblower fühlte, daß Jones und Turner ihn verstohlen ansahen. Das Signal konnte einen versteckten Tadel enthalten, es mochte ihm sagen, daß er nicht alles daransetzte, ins Gefecht zu kommen. Anders verstanden bedeutete es vielleicht nur, daß der Kampf unmittelbar bevorstand. Jetzt waren auch die Marssegel der Nightingale schon über der Kimm. Sie lag hart am Wind und gab sich alle Mühe, so rasch wie möglich an die Castilla heranzukommen. Wenn Ford nur noch für eine halbe Stunde abhalten wollte - die Atropos lief ja der Castilla stetig auf. Aber nein, er hatte es so eilig, daß der Zusammenstoß stattfinden mußte, ehe die Atropos zur Stelle war. Damit spielte er dem Kommandanten der Castilla geradezu in die Hände. Jetzt geite die Castilla ihre Untersegel auf, jetzt verschwanden ihre Royals, auch sie war nun für das Treffen gerüstet. Die beiden Schiffe strebten aufeinander zu, ihre Segel leuchteten weiß auf der blauen See und unter dem blauen Himmel. Für Hornblower, der das Glas keine Sekunde mehr vom Auge ließ, standen sie gerade in Linie zueinander, so daß er schwer schätzen konnte, wie weit sie noch auseinander waren. Jetzt ging etwas vor. Die Nightingale fiel ab und ging vor den Wind, als die Castilla herankam. Die Masten und Spieren der beiden Gegner schoben sich ineinander. Ford mußte noch eine Weile auf Abstand bleiben und versuchen, die Riggen des anderen zu treffen.
Plötzlich wälzten sich dicke Qualmwolken rund um die beiden Schiffe - sie hatten die ersten Breitseiten gewechselt. Es sah aus, als ob sie schon jetzt im Nahkampf lagen - nein, das durfte, das konnte nicht sein. Es war noch immer nicht Zeit, die Untersegel und die Royals festzumachen, je rascher sie herankamen, desto besser war es. Schwer rollte nun der Donner der beiden Breitseiten über das blaue Wasser, der Pulverdampf trieb in einer langgezogenen Wolke nach Lee und gab den Blick auf die kämpfenden Schiffe wieder frei. Aber schon quollen neue Rauchmassen auf, die Geschütze waren wieder geladen worden und schossen, was die Rohre hergaben, aber dabei waren die Masten noch immer ganz dicht nebeneinander - war Ford denn wirklich so verrückt, sich mit seinen Rahen in den Gegner zu verhaken? Wieder der lang hingezogene Donner der Geschütze. Die Schiffe schwangen in der Rauchwolke herum, er sah, wie die den Qualm überragenden Masten ihre Peilung änderten, dennoch war es immer noch unmöglich, Schiff von Schiff zu unterscheiden. Da krachte eine Spier von oben und riß Rahen und Segel mit sich in die Tiefe. Das mußte die Großstenge der Nightingale gewesen sein, so schrecklich es auch war, sich das eingestehen zu müssen. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis die Atropos näher kam. Wieder brodelnder Qualm und rollender Donner der Geschütze. Er konnte nicht glauben, was ihm das Glas als bittere Wahrheit zeigte, sobald er wieder etwas zu erkennen vermochte und nun die Einzelheiten mit der abnehmenden Entfernung immer deutlicher unterschied. Die beiden Schiffe hingen zweifellos ineinander fest, und das eine, ohne Großstenge, war ebenso gewiß die Nightingale . Sie lag in einem Winkel zur Castilla und berührte sie nur mit dem Bug. Der Wind
Weitere Kostenlose Bücher