Hornblower 04 - Hornblower wird Kommandant
Innungsmeister, Herolde und Admirale waren längst an Land und saßen nun in ihren Heimen beim Dinner, der frühe Januarabend war bereits der Nacht gewichen, als Hornblower in Greenwich seine letzten Schützlinge entließ. Endlich saß er aufatmend in seiner Gig und befahl dem Bootssteurer, ihn am Deptford Hard abzusetzen.
Frierend, müde und hungrig strebte er zum›George‹hinauf. Eine Woche und mehr schien ihm vergangen zu sein, seit dieser eine Tag voll Mühe und Aufregung begonnen hatte - dabei hatte er seine Maria erst heute morgen in ihren Schmerzen zurückgelassen.
Er öffnete die Haustür des›George‹und trat ein. Der erste Mensch, dessen er ansichtig wurde, war der Wirt - eine Schattengestalt, die er noch kaum kannte, da hier die Frau allein das Regiment führte.
»Wie geht es meiner Frau?« war seine erste Frage.
Der Wirt kniff unsicher die Augen zu.
»Ich, ich weiß es nicht genau«, gab er zur Antwort.
Hornblower kehrte ihm ungeduldig den Rücken und rannte die Treppe hinauf. Die Hand an der Klinke, machte er an der Zimmertür unschlüssig halt; er hatte plötzlich starkes Herzklopfen. Dann hörte er drinnen Stimmengemurmel und trat ein. Maria lag tief in den Kissen, die Hebamme hantierte in der Nähe des Fensters, eine Kerze warf ihren schwachen Schein auf Marias Gesicht.
»Horry!« sagte sie. Aus ihrer Stimme klang freudige Überraschung, die sich auch darin verriet, daß sie seinen Kosenamen gebrauchte.
Hornblower nahm ihre Hände in die seinen.
»Nun, Schatz, ist alles in Ordnung?« fragte er.
»Ja«, sagte Maria.
Sie hielt ihm den Mund entgegen, daß er sie küsse, aber ehe noch der Kuß empfangen war, wanderte ihr Blick schon nach dem Flechtkorb, der auf einem Tischchen neben dem Bett stand.
»Ein Mädchen, Liebling«, sagte sie, »unser Töchterchen.«
»Und was für ein hübsches Kind!« fügte die Hebamme hinzu.
Hornblower ging um das Bett herum und spähte in den Korb hinein. Das kleine Wesen dann war unter dem Federbett kaum zu sehen - Hornblower, gewohnt mit dem kleinen Horatio zu spielen, hatte schon ganz vergessen, wie klein so ein Neugeborenes war. Auf dem kleinen Kissen sah man nur ein winziges rotes Gesichtchen, das wie die Karikatur eines Menschen wirkte. Er starrte wortlos in das Körbchen, da öffnete sich der kleine Mund und ließ einen hohen, dünnen Schrei vernehmen, der mit dem gewohnten kräftigen Gebrüll des kleinen Horatio überhaupt nicht zu vergleichen war.
»Ein nettes kleines Ding«, sagte Hornblower galant, während das Schreien weiterging und zwei winzige geballte Fäustchen über der Kante des Federbetts erschienen.
»Unsere kleine Maria«, sagte Maria, »ich weiß ganz bestimmt, daß sie lockiges Haar bekommt.«
»Aber, aber!« mahnte die Hebamme, nicht um ihr diese gewagte Prophezeiung zu verweisen, sondern weil sich Maria im Bett aufrichten wollte, um einen Blick auf ihr Kind zu werfen.
»Sie braucht nur zu werden wie ihre Mutter«, meinte Hornblower, »dann ist sie die beste Tochter, die ich mir wünschen könnte.«
Maria belohnte ihn für dieses Wort mit einem glücklichen Lächeln, als sie wieder auf ihr Kissen zurücksank.
»Der kleine Horatio ist unten«, sagte sie, »er hat sein Schwesterchen schon gesehen.«
»Und was meint er zu ihr?«
»Er schrie mit ihr um die Wette«, sagte Maria.
»Es wird gut sein, wenn ich mich einmal nach ihm umsehe«, schlug Hornblower vor.
»Ja, bitte, tu das«, sagte Maria, zugleich streckte sie wieder die Hände nach ihm aus. Hornblower beugte sich über sie und küßte sie.
Im Zimmer war es sehr warm, da im Kamin ein lustiges Feuer brannte. Es roch nach Krankheit, und diese Stickluft legte sich Hornblower besonders schwer auf die Lunge, die er sich den ganzen Tag über mit der frischen Januarbrise vollgepumpt hatte.
»Ich bin über die Maßen froh und glücklich, dich so wohl zu sehen, mein Schatz«, sagte er zum Abschied.
Als er unten im Erdgeschoß unschlüssig in der Halle stand, steckte die Wirtin ihren Kopf aus der Küchentür.
»Der junge Herr ist hier bei mir«, sagte sie. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dann kommen Sie doch herein.«
Der junge Horatio thronte auf einem hohen Kinderstuhl. Als er seines Vaters ansichtig wurde, lachte er über das ganze Gesicht, begann vor Freude auf seinem Stuhl zu hüpfen und schwenkte ihm die Brotkruste entgegen, die er mit seiner kleinen Faust umklammert hielt. Das war für Hornblower die schmeichelhafteste Anerkennung, die ihm je zuteil geworden
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