Hornblower 05 - Der Kapitän
darauf.«
»Aye, aye, Sir«, murmelte Clay und warf Savage einen komisch rollenden Blick zu, aber da Hornblower scharf aufsah, brachte er seine Gesichtszüge schleunigst wieder in Ordnung.
Das Spiel nahm seinen Fortgang und schien sich für alle Beteiligten endlos hinzuziehen. Schließlich aber war es soweit.
»Rubber«, kündigte Hornblower an und rechnete die Punkte zusammen. »Ich glaube, meine Herren, daß es allmählich Zeit wird, an Deck zu gehen.«
Ein Seufzer der Erleichterung und allgemeines Fußscharren antwortete ihm. Der Kommandant aber hielt es für unerläßlich, seinen Ruf der unerschütterlichen Gemütsruhe noch zu festigen.
Er hielt den Gästen noch einen kleinen Vortrag über die Feinheiten des Spiels, wobei diese vor Aufregung auf ihren Sitzen herumrutschten. Dennoch warfen sie einander Bewunderung ausdrückende Blicke zu, als Hornblower ihnen voran zum Achterdeck hinaufstieg. Totenstill war alles. Die Leute lagen auf ihren Gefechtsstationen. Der Mond näherte sich schnell dem Horizont, doch war es noch leidlich hell, wenn sich das Auge erst einmal an die Beleuchtung gewöhnt hatte. Bush trat salutierend vor den Kapitän.
»Der Gegner hält noch immer auf die Bucht zu«, meldete er.
»Lassen Sie die Besatzungen der Barkasse und des Kutters wieder in die Boote gehen«, befahl Hornblower. Er enterte bis zur Oberbramrahe des Kreuztopps auf. Von dort aus vermochte er gerade noch über die Insel hinwegzublicken. Die Natividad stand vor dem untergehenden Mond etwa noch eine Seemeile weit entfernt und strebte hart angebraßt zur Einfahrt zu.
Hornblower mußte, während er ihre weiteren Bewegungen vorauszubeurteilen suchte, seine eigene Erregung niederkämpfen. Daß man von drüben gegen den dunklen Nachthimmel die Bramstengen der Lydia erkennen würde, war kaum zu befürchten, und gerade auf diese Annahme baute sich des Engländers ganzer Plan auf. Bald würde die Natividad über Stag gehen, und ihr neuer Kurs mußte sie geradewegs auf die Insel zu führen. Vielleicht würde sie luvwärts vorbeisegeln, doch stand das eigentlich nicht zu erwarten. Vielmehr konnte man hoffen, daß sie, um in die Bucht einlaufen zu können, nochmals über Stag gehen würde, wobei sich die von ihm gesuchte Gelegenheit bieten würde. Während er noch hinüberspähte, leuchtete ihre Leinwand wenige Sekunden lang auf, um dann infolge der Wendung wieder ganz dunkel zu werden. Sie hielt auf die Mitte der Einfahrt zu, aber ihre Abtrift und das Einsetzen der Ebbe mußte sie wieder zur Insel hin Überdrücken. Hornblower enterte nieder.
»Mr. Bush, lassen Sie die Leute aufentern, klar zum Segel setzen.«
Leise Geräusche verbreiteten sich durchs Schiff, als nackte Sohlen über die Decksplanken klatschten und die Wanten hinaufeilten. Hornblower zog die silberne Pfeife aus der Tasche.
Er hielt es für überflüssig, erst noch zu fragen, ob alles für das von ihm zu gebende Zeichen klar war. Er kannte Bush und Gerard als tüchtige Offiziere.
»Ich begebe mich jetzt nach vorn, Mr. Bush«, sagte er. »Ich werde versuchen, rechtzeitig wieder auf dem Achterdeck zu erscheinen, aber Sie wissen meine Befehle für den Fall, daß es mir nicht gelingt.«
»Aye, aye, Sir.«
Er eilte zum Vorschiff, vorüber an den auf der Back aufgestellten Karronaden, bei denen die Bedienungsmannschaften kauerten, und dann schwang er sich auf den Klüverbaum hinaus. Von der Rahe des Sprietsegels aus konnte er um den Vorsprung der Insel herumsehen. Die Natividad hielt geradewegs auf ihn zu. Er bemerkte den phosphoreszierenden Gischt der Bugwelle, vermeinte fast das Rauschen des Wassers zu hören. Er schluckte heftig, und dann schwand jegliche Erregung; Hornblower war völlig kühl. Seine eigene Person hatte er vergessen, und sein Hirn, das Zeit und Entfernungen abschätzte, arbeitete wie eine Maschine. Nun vernahm er die singende Stimme des Lotenden, obwohl er die Worte nicht verstand. Der Spanier kam sehr nahe. Das Schwatzen der Besatzung tönte herüber. Befehle wurden in die Nacht hinausgeschrien; die Natividad ging über Stag. Bei dem ersten das Manöver ankündigenden Laut führte Hornblower die Pfeife an die Lippen, worauf es an Bord der Lydia außerordentlich lebendig wurde. Von allen Rahen rauschten gleichzeitig die Segel hernieder. Die Ankerkette wurde geschlippt, die Boote setzten ab. Der nach achtern eilende Kapitän stieß mit den an den Brassen holenden Matrosen zusammen, raffte sich aber schnell auf und setzte seinen Weg fort, indessen
Weitere Kostenlose Bücher