Hornblower 05 - Der Kapitän
goldbestickter Rock konnte nicht über den zerschlissenen Zustand des darunter befindlichen Hemdes hinwegtäuschen. Immerhin aber trug er Stiefel von weichem, braunem Leder, in deren Schäften die geflickten weißen Hosen verschwanden.
»Im Dienste el Supremos?« fragte Hornblower.
»Freilich. Darf ich Ihnen meine Offiziere vorstellen? Capitan de navio Andrade, Capitan de fragata Castro, Capitan de corbeta Carrera, die Offiziere Barrios, Barillas und Cerna nebst den Fähnrichen Diaz...«
Die unter solch hochklingenden Titeln vorgestellten Offiziere waren barfüßige Indianer, deren um die Hüften geschlungene rote Schärpen voller Pistolen und Messer steckten. Sie verneigten sich linkisch vor Hornblower. Mehrere Gesichter verrieten viehische Grausamkeit.
»Ich bin gekommen«, sagte Crespo liebenswürdig, »um meine Flagge auf der Natividad zu setzen. El Supremo wünscht, daß Sie sie mit den einem Vizeadmiral zukommenden elf Salutschüssen begrüßen.«
Hornblowers Gesicht wurde etwas lang. Im Verlauf seiner Dienstjahre hatte er einen tiefgehenden Respekt vor den Einzelheiten seemännischen Zeremoniells gewonnen, und er ärgerte sich über die Aussicht, diesem zerlumpten Gauner denselben Salut zu gewähren, wie er einem Nelson zuteil wurde.
Mit einiger Anstrengung schluckte er seinen Groll herunter. Er wußte, daß er, sofern er überhaupt einigen Erfolg erzielen wollte, diese Posse bis zum bitteren Ende mitspielen mußte.
»Selbstverständlich, Herr Admiral«, sagte er. »Ich bin sehr glücklich darüber, Ihnen als einer der ersten zu Ihrer Ernennung gratulieren zu können.«
»Danke, Herr Kapitän. Zunächst müssen noch ein paar Kleinigkeiten erledigt werden. Darf ich fragen, ob die diensttuenden Offiziere der Natividad hier an Bord oder noch drüben sind?«
Hornblower blieb ganz gelassen. »Es tut mir furchtbar leid, aber ich habe sie heute früh nach kriegsgerichtlicher Aburteilung über Bord werfen lassen.«
»Das ist allerdings sehr schade«, erwiderte Crespo. »Ich sollte sie auf el Supremos Befehl an die Rahnocken der Natividad hängen. Haben Sie denn gar keinen übriggelassen?«
»Nicht einen einzigen, Herr Admiral. Ich bedauere, daß ich keine diesbezüglichen Befehle von el Supremo bekam.«
»Na, dann läßt sich eben nichts machen. Zweifellos wird man Ersatz finden. Ich werde mich jetzt an Bord meines Schiffes begeben. Vielleicht begleiten Sie mich, um Ihrem Prisenkommando die nötigen Befehle zu erteilen.«
»Gewiß, Herr Admiral.«
Hornblower war darauf gespannt, wie el Supremos Untergebene die Aufgabe lösen würden, eine ganze Schiffsbesatzung zum Überlaufen zu bringen. Hastig erteilte er Anweisungen für das Salutschießen, das beim Hochgehen der neuen Flagge der Natividad beginnen sollte, dann bestieg er mit den neugebackenen Seeoffizieren das wartende Boot.
An Bord der Natividad stolzierte Crespo zum Achterdeck. Der spanische Obersteuermann stand dort mit seinen Unteroffizieren. Unter ihren erschrockenen Blicken trat Crespo zu dem neben der Reling angebrachten Standbild der Mutter Gottes mit dem Kinde und stieß es kurzerhand über Bord. Auf seinen Wink holte einer der »Fähnriche« die an der Piek hängende spanische und britische Flagge nieder, worauf sich der Mann el Supremos an die seemännischen Offiziere wandte. Eine dramatische Szene spielte sich auf dem sonnenbeschienenen Achterdeck ab, auf dem sich die Menschen drängten. Die in Linie aufgestellten rotröckigen britischen Seesoldaten präsentierten das Gewehr, während die Matrosen mit brennenden Lunten bei den Karronaden standen, denn noch war kein die bisherige Lage ändernder Befehl erteilt worden. Gerard kam herüber und nahm neben seinem Kapitän Aufstellung.
»Wer ist der Obersteuermann?« fragte Crespo.
»Ich«, stammelte einer der Spanier.
»Und ihr anderen seid seine Maate?« krächzte Crespo.
Ängstliches Kopfnicken antwortete ihm. Aus dem Gesicht des sogenannten Admirals war aller Humor geschwunden. Kalter Zorn schien ihn zu beseelen.
»Du da«, deutete er auf den Jüngsten. »Du wirst jetzt die Rechte emporstrecken und unserem Gebieter el Supremo den Treueid leisten. Hand hoch!«
Der Junge gehorchte wie geistesabwesend.
»Nun sprich mir nach.›Ich schwöre...‹«
Das Gesicht des jungen Menschen war bleich. Er versuchte, sich nach seinem Vorgesetzten umzudrehen, aber Crespos lodernde Augen hielten ihn fest.
»Ich schwöre...«, klang es noch drohender als zuvor. Des Jünglings Mund öffnete und
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