Hornblower 05 - Der Kapitän
das Anfeuchten der Segel nichts mehr nutzte. Hilflos torkelte die Lydia in der Dünung umher. Zehn Minuten vergingen, bevor Hornblower aufatmend erkannte, daß sich die feindliche Fregatte genauso benahm. Die Lydia rollte so heftig, daß sie in allen Fugen knarrte und ächzte. Dazu klatschten die schlaff herabhängenden Segel, und das Klappern der Blöcke mischte sich hinein. Nur der metallische Laut der Pumpen tönte gleichmäßig durch die heiße Luft. Die Natividad war jetzt noch drei Seemeilen weit entfernt, und damit befand sie sich noch ein gutes Stück außerhalb der Reichweite der britischen Geschütze.
»Mr. Bush«, befahl Hornblower, »lassen Sie die Barkaß und den Kutter zu Wasser bringen; wir wollen die Boote vorspannen.«
Sekundenlang machte der Erste Offizier ein bedenkliches Gesicht. Was der eine tat, stand ja auch dem anderen frei, aber dann fiel ihm ein, was Hornblower schon vor ihm bedacht hatte, daß die schnittige Lydia viel leichter in Schlepp zu nehmen war als der plumpe Rumpf der Natividad . Jedenfalls war es Hornblowers Pflicht, alles zu tun, um sein Schiff ins Gefecht zu führen.
»Barkaß und Kutter klar!« brüllte Harrison.
Die Pfeifen der Maate gaben dem Befehl Nachdruck, und bald setzten die ausgeschwungenen Boote von der in der Dünung schlingernden Fregatte ab.
Für die Bootsbesatzungen begann nun eine äußerst anstrengende Arbeit. Mit kräftigen Schlägen trieben sie ihre schweren Boote über die bewegte See, bis die Schlepptaue mit einem Ruck steif kamen. Von dem Augenblick an schien es so, als ob sie ungeachtet ihrer Mühen überhaupt nicht mehr vorwärts kämen. Machtlos wirbelten die Riemen das schäumende blaue Meerwasser auf. Schließlich fiel es der Lydia ein, etwas vorwärts zu kriechen, worauf die ganze Arbeit wieder von frischem begann. Die kräftige Dünung behinderte die Leute.
Zuweilen schnitten sämtliche Riemen einer Seite tief ins Wasser, so daß das betreffende Boot sich drehte und das andere behelligte. Die unter Segel so wendige Lydia wurde geradezu zum Klotz, wenn man sie auf diese Weise schleppen wollte.
Sie gierte und sackte zuweilen in einem Wellental so stark achteraus, daß die Beiboote mitgerissen wurden. Es gab dann jedesmal ein heftiges Klatschen der Riemen. Gleich darauf aber glitt die Fregatte plötzlich wieder vorwärts, ihren durchhängenden Schlepptauen nach. Die Leute, die sich mit voller Wucht in die Riemen gelegt hatten, purzelten fast durcheinander und liefen obendrein Gefahr, überrannt zu werden.
Nackt saßen sie auf den Duchten, während ihnen der Schweiß in Strömen über die Gesichter und die Oberkörper rann. Im Gegensatz zu ihren pumpenden Kameraden war es ihnen unmöglich, ihre Anstrengung in der Eintönigkeit der Arbeit zu vergessen, denn keinen Augenblick durften sie in ihrer Aufmerksamkeit nachlassen. Verzweifelt zerrten sie an dem widerspenstigen Schiff. Ihr furchtbarer Durst wurde nur unvollkommen durch das Wasser gelöscht, das die Unteroffiziere von Zeit zu Zeit austeilten. Schließlich gab es sogar an den durch jahrelange seemännische Arbeit hornig und schwielig gewordenen Fäusten Risse und Blasen, so daß die Berührung der hölzernen Griffe zur Qual wurde. Hornblower kannte die Strapazen sehr wohl, die er der Mannschaft zumutete.
Er begab sich nach vorn und sah zu den Seeleuten hinunter. Er wußte, daß sein eigener Körper solche Anstrengungen höchstens eine halbe Stunde lang würde ertragen können. Durch stündliche Ablösung trug er der Lage Rechnung, wie er überhaupt sein Bestes tat, die allgemeine Stimmung zu heben. Hornblower empfand ein beruhigendes Mitgefühl mit seinen Matrosen. Drei Viertel davon waren vor sieben Monaten noch keine Seeleute gewesen und hegten auch keineswegs den Wunsch, es zu werden. Die alles erfassenden Preßkommandos hatten sie zusammengetrieben. Fast gegen seinen Willen bemühte er sich stets, im Gegensatz zu den meisten seiner Offiziere, in ihnen nicht nur Toppsgäste oder Vorhandsgäste, sondern das zu sehen, was sie vor jener Freiheitsberaubung gewesen waren: Packer, Jollenführer und ähnliches.
Er hatte Fuhrleute und Töpfer, ja sogar zwei Tuchmachergehilfen und einen Drucker unter der Mannschaft.
Leute waren das, die ohne Benachrichtigung der Familie und der Arbeitgeber zu diesem Dienst gepreßt worden waren. Sie mußten sich mit abscheulichen Arbeitsbedingungen abfinden, sie lebten in ständiger Furcht vor der neunschwänzigen Katze und hatten dauernd mit der Möglichkeit zu
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