Hornblower 05 - Der Kapitän
harrten. Diese sonnigen Aussichten ließen sie sich nicht von der Möglichkeit überschatten, daß man sie an Bord eines anderen Fahrzeuges kommandieren und dann abermals um die halbe Welt segeln lassen würde, ehe sie überhaupt den Fuß auf britischen Boden setzen konnten.
Mit Feuereifer hatten sie die Fregatte aus der Bucht geschleppt, und nicht einer von ihnen blickte bedauernd zu jenem Schlupfwinkel zurück, der allein ihnen diese Heimreise ermöglichte. Schwatzend und Dummheiten machend wie ein Rudel Affen waren sie aufgeentert, um Segel zu setzen, indessen drunten die Leute der Freiwache paarweise tanzten und die Lydia vor günstigem Winde über die blauen Weiten des Stillen Ozeans glitt. Mit seiner tropischen Launenhaftigkeit flaute der Wind jedoch immer mehr ab und wehte schließlich nur noch in einzelnen, ganz schwachen Stößen, so daß die Segel zu klatschen und die Takelage zu knarren begannen. Dauernd mußte die Wache an die Brassen treten und die Segel trimmen.
Hornblower, der in seiner Koje lag, erwachte in der kühlen Stunde, die der Dämmerung vorangeht. Noch war es zu dunkel, um den über seinem Kopf in der Decke eingelassenen Kajütskompaß sehen zu können, doch aus den langrollenden Bewegungen des Schiffes und den unaufhörlichen Geräuschen erriet er, daß man in eine Flaute geraten war. Es war bald Zeit zum Beginn der Morgenwanderung, aber im behaglichen Gefühl, schwerer Verantwortungen enthoben zu sein, blieb er noch ein wenig liegen, bis Polwheal hereinkam, um die Kleider zurechtzulegen. Gerade schlüpfte er in die Hosen, als er droben vom Ausguck her einen Ruf vernahm.
»Backbord querab ein Segel! Es ist wieder der Lugger, Sir!«
Im Augenblick schwand das Gefühl des Wohlbehagens von ihm. Zweimal schon war man hier im Golf von Panama jenem Lugger begegnet, und beide Male hatte er schlechte Nachrichten überbracht. Fast ein wenig abergläubisch wartete Hornblower darauf, was wohl dieses dritte Zusammentreffen mit sich bringen werde. Er riß Polwheal den Rock aus der Hand, zog ihn an und eilte nach oben.
Ja, zweifellos war es der Lugger, der dort kaum zwei Meilen entfernt in der Windstille lag. Ein halbes Dutzend Ferngläser wurden auf ihn gerichtet; offenbar teilten die Offiziere den abergläubischen Verdacht ihres Kommandanten.
»Die haben etwas an ihrer Takelage, was mich abstößt«, murmelte Gerard.
»Och, sie ist bloß so'n richtiger spanischer Guardacosta«, meinte Crystal. »Zu Dutzenden habe ich die gesehen. In Habana zum Beispiel...«
»Wer kennt sie nicht?« unterbrach ihn Gerard ärgerlich. »Ich sagte... Hallo, da legt ein Boot ab!«
Er sah sich um und gewahrte den Kommandanten, der gerade das Achterdeck betrat.
»Lugger schickt ein Boot herüber, Sir.«
Hornblower tat sein Bestes, um seinem Gesicht den Ausdruck völliger Gelassenheit zu geben. Er sagte sich dabei, daß er mit dem schnellsten und kampfkräftigsten Schiff der ganzen pazifischen Küste unter den Füßen nichts zu befürchten hatte.
Im übrigen war er bereit und dazu befähigt, die halbe Welt zu umsegeln und jedes Fahrzeug zu bekämpfen, dessen Armierung aus fünfzig Kanonen oder weniger bestand. Der Anblick des Luggers brauchte ihn also nicht zu beunruhigen... und tat es dennoch.
Minutenlang beobachteten sie das in der Dünung langsam näher kommende Boot. Zuerst war es nur ein dunkler, hin und wieder auf den Wogenkämmen sichtbar werdender Fleck. Dann konnte man die nassen Riemenblätter sehen, von denen das im Widerschein der tiefstehenden Sonne glitzernde Wasser tropfte.
Schließlich schor das Boot längsseit, und dann stand der so glänzend uniformierte junge Offizier wieder vor Hornblower, vor dem er sich verneigte. Er machte keinen Hehl aus seiner mit Bewunderung gemischten Neugier. Er bemerkte den neuen Kreuzmast, der so sauber und seefest aussah, als sei er auf einer Werft eingesetzt worden; er sah die tadellos geflickten Schußlöcher; er stellte fest, daß die Pumpen nicht mehr arbeiteten; kurzum, daß das Schiff im Verlauf der letzten sechzehn Tage vollkommen überholt worden war. Offenbar war das zudem geschehen, ohne daß es einen Hafen angelaufen hatte.
»Ich bin überrascht, Sie nochmals hier zu sehen, Sir«, sagte er.
»Für mich«, erwiderte Hornblower, »ist es sowohl eine Überraschung als auch ein Vergnügen.«
»Selbstverständlich gilt das auch für mich«, sagte der Spanier schnell, »aber ich dachte, daß Sie sich mittlerweile schon längst auf die Heimreise gemacht
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