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Hornblower 05 - Der Kapitän

Hornblower 05 - Der Kapitän

Titel: Hornblower 05 - Der Kapitän Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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um. Etwas wie Verständnis huschte über seine Züge, als er mit den Ketten rasselte. Nun glotzte er sie wieder blöde an. »Ketten!... Das sind Ketten!«
    Er kreischte und brüllte. Er lachte irre, und das Gelächter ging in Schluchzen über. Dann wieder warf er sich fluchend auf die Decksplanken nieder, wobei er wütend in seine Ketten biß.
    Seine Worte endeten in unartikulierten Lauten. Der Geifer lief ihm über das Kinn. Zuckend warf er sich hin und her.
    »Interessant, nicht wahr?« meinte der spanische Seeoffizier.
    »Mitunter tobt er unausgesetzt vierundzwanzig Stunden lang.«
    Hornblower stand auf, klappernd fiel sein Stuhl um. Er war nahe daran, sich zu erbrechen. Sein Gastgeber, der sein bleiches Gesicht und die bebenden Lippen sah, war ein wenig belustigt und machte daraus keinen Hehl.
    Aber Hornblower konnte seinem anwachsenden Widerwillen keinen Ausdruck verleihen. Vernunftgemäß sagte er sich, daß an Bord eines so kleinen Schiffes, wie es der Lugger war, ein Wahnsinniger an Deck angekettet werden mußte. Wohl war diese spanische Art, daraus eine Schaustellung zu machen, einfach widerwärtig, doch gab es dafür zahlreiche Parallelen aus der britischen Geschichte. Einen der größten Schreiber in englischer Sprache, der obendrein ein kirchlieber Würdenträger gewesen war, hatte man seinerzeit als Geisteskranken für Geld sehen lassen.
    »Sie werden ihn also ungeachtet seines Irrsinns aufhängen?« fragte Hornblower. »Ohne ihm Gelegenheit zu geben, seinen Frieden mit Gott zu machen?«
    Der Spanier zuckte die Achseln.
    »Wahnsinnig oder nicht, Rebellen werden gehängt. Euer Exzellenz werden das so gut wissen wie ich.«
    Hornblower wußte es in der Tat. Er murmelte etwas Unverständliches, obwohl er sich wütend über sein Benehmen ärgerte. Um wenigstens einigermaßen die seiner Meinung nach verlorene Würde wiederzugewinnen, raffte er sich auf und sprach ein paar abschließende Worte.
    »Ich bin Ihnen außerordentlich verbunden, Sir, daß Sie mir Gelegenheit boten, diesem höchst interessanten Schauspiel beizuwohnen. Jetzt aber werde ich Sie zu meinem Bedauern verlassen müssen, indem ich meinen Dank wiederhole. Mir scheint, daß ein wenig Wind aufkommt.«
    In möglichst beherrschter Haltung enterte er über die Seite und nahm auf der Achterducht seines Bootes Platz. Es kostete ihn eine weitere Anstrengung, den Befehl zum Ablegen zu geben, und dann starrte er während der Überfahrt zur Lydia schweigend und düster vor sich nieder. Bush, Gerard und Lady Barbara beobachteten ihn, als er an Bord kam. Ohne zu sehen und ohne zu hören, blickte er umher, und dann eilte er in seine Kammer hinunter, um sich mit seinem Elend zu verstecken. Ja, er barg sein Gesicht sogar sekundenlang erschüttert ins Kopfkissen seiner Koje, ehe er seine Fassung soweit wiedergewann, daß er sich einen sentimentalen Idioten schimpfte. Doch vergingen noch mehrere Tage, bis seine Züge jenen todesstarren Ausdruck verloren, und während dieser Zeitspanne zog er sich immer wieder in die Einsamkeit seiner Kammer zurück, denn unmöglich wäre es ihm gewesen, sich unter die heitere Gesellschaft des Achterdecks zu mischen, deren vergnügtes Geplauder durchs Skylight zu ihn herniedertönte. Er selbst faßte die Tatsache, daß ihn der Anblick eines irrsinnigen Verbrechers, der sein Schicksal reichlich verdiente, derartig aus dem Gleichgewicht brachte, als neuen Beweis für seine seelische Schwäche und seine Torheit auf.

22. Kapitel
    In der warmen, monderhellten Nacht saßen Lady Barbara und Kapitänleutnant Bush plaudernd bei der Heckreling. Es war das erste Mal, daß Bush ein solches Beisammensein zu zweien erlebte, und überdies war es rein zufällig zustande gekommen.
    Wahrscheinlich würde er es sogar vermieden haben, falls er es vorausgesehen hätte, aber nun die Unterhaltung begonnen hatte, ergab er sich ganz dem Genuß, ohne irgendwelche Beunruhigung zu empfinden. Er hockte auf einem Stapel der mit Werg gefüllten Kissen, die Harrison für Lady Barbara hatte anfertigen lassen, und streichelte sein Knie, während Lady Barbara sich in ihrem Liegestuhl streckte. Sanft hob und senkte sich die Lydia zur leisen Begleitmusik der Wellen und des in der Takelage harfenden Windes. Die weißen Segel schimmerten im Mondlicht. Droben am Himmel funkelten in seltsamer Klarheit unzählige Sterne. Doch Bush sprach nicht von sich selbst, wie es unter solchem Tropenmond jeder vernünftige Mann im Beisein einer jungen Dame getan haben

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