Hornblower 06 - An Spaniens Küsten
aufzubringen. Ein einziger solcher Fang konnte ihre Kapitäne zu wohlhabenden Leuten machen. Die Augen aller auf dem erhöhten Achterdeck Stehenden richteten sich auf Hornblower. Wenn er ein derartiges, seiner Obhut anvertrautes Schiff verlor, so büßte er jedes Ansehen ein, das er bei der Admiralität besitzen mochte.
Alle Ostindienfahrer waren armiert - zum Beispiel hatte die Lord Mornington beiderseits achtzehn Geschützpforten - und konnten demnach Angriffe kleiner Kaperer abweisen, wenn sich diese auf ein Artilleriegefecht einließen. Die Lugger aber würden die Taktik des Enterns befolgen. Keine von Zivilmannschaften bedienten Enternetze konnten ein Hundert goldhungriger Franzosen abhalten. Sie würden versuchen, eins der Handelsschiffe luvwärts zu treiben und abzuschneiden.
Während die Sutherland dann mühsam gegen den Wind kreuzte, konnten sie es in wenigen Minuten erobern und vor den Augen Hornblowers wegführen. Zu einer solchen Situation durfte es unter keinen Umständen kommen. Dennoch, die Leute der Ostindienfahrer waren langsam, seine eigene Mannschaft unausgebildet und die französischen Lugger behende wie die Teufel. Mit zweien hatte er es zu tun; das heißt, er mußte zwei Hiebe zu gleicher Zeit parieren.
Jetzt konnte man die Fahrzeuge auch bereits vom Oberdeck aus erkennen. Die dunklen Segel der beiden Masten standen über der Kimm und drückten eine Drohung aus. Sie segelten dicht am Winde. Klein waren die Schiffe, die zusammen mit höchstens vierzig Kanonen leichteren Kalibers bestückt waren.
Die Sutherland konnte jedes von ihnen mit wenigen Breitseiten zum Sinken bringen, falls sie töricht genug waren, auf Schußweite heranzukommen. Sie waren aber sehr schnell.
Schon tauchten ihre Formen über den Horizont. Hornblower konnte die schäumende Bugwelle erkennen. Obendrein lagen sie zum mindesten einen Strich näher am Winde, als Hornblower es mit der schwerfälligen Sutherland jemals fertigbringen konnte.
Jeder der beiden Lugger hatte sicherlich nicht weniger als hundertundfünfzig Mann an Bord. Auf französischen Kaperschiffen wurde wenig Rücksicht auf die Unterbringung der Mannschaft genommen. Es war nicht nötig, da sie nur zu kurzen Raubzügen aus ihren Schlupfwinkeln hervorzubrechen pflegten und nach Erbeutung einer Prise schnell wieder verschwanden.
»Soll ich Klarschiff anschlagen lassen, Sir?« fragte Bush kampflustig.
»Nein«, erwiderte Hornblower kurz. »Schicken Sie die Leute auf Manöverstationen, und lassen Sie die Feuer löschen.«
Es war nicht nötig, die Zwischenwände der Kajüte niederzulegen und die Einrichtung zu beschädigen, weil es zu einem eigentlichen Gefecht gar nicht kommen konnte. Es bestand aber die Gefahr, daß eine verirrte Kanonenkugel das Kombüsenfeuer traf, wodurch das ganze Schiff in Flammen aufgehen konnte. Die Mannschaften begaben sich also auf die für Segelmanöver vorgesehen Stationen; das heißt, sie wurden dorthin geführt oder gewaltsam hingetrieben. Einige von ihnen wußten noch nicht zwischen Steuerbord und Backbord zu unterscheiden. Die Maate halfen mit halblauten Drohungen und unterdrückten Flüchen nach.
»Lassen Sie die Geschütze laden und ausrennen, Mr. Bush.«
Mehr als die Hälfte der Bedienungsmannschaften hatte im ganzen Leben noch kein Geschütz abfeuern sehen. Zum erstenmal dröhnte jetzt die seltsam aufregende Musik der über die Planken rollenden Lafetten an ihr Ohr. Auch Hornblower vernahm sie, und einen Augenblick hielt er den Atem an, da sie so viele Erinnerungen in ihm wachrief. Durchs Glas stellte er fest, daß sich die Kaperer nicht davon beeindrucken ließen, daß die Sutherland ihre Zähne zeigte. Unentwegt steuerten sie ihren Kurs, um dicht am Winde segelnd auf den Geleitzug zu stoßen.
Zu seiner Genugtuung erkannte Hornblower jedoch, daß die Nähe des Feindes mehr ausrichtete, als alle seine Befehle. Die Schiffe drängten sich zusammen, und jeder Kapitän kam so nahe an seinen Nachbarn heran, wie er es nur unter dem Eindruck einer unmittelbaren Gefahr zu tun wagte. Sonst waren sie nie dazu zu bewegen, derart geringe Abstände zu halten. Enternetze erschienen an den Schiffsseiten, und die Geschütze wurden ausgerannt. Sie vermochten zwar keinen nachhaltigen Widerstand zu leisten, aber unter den augenblicklichen Umständen konnte auch eine kurz dauernde Verteidigung ausschlaggebend sein.
Eine Rauchwolke, die von dem führenden Kaperer aufstieg, und ein dumpfer Krach deuteten an, daß er das Feuer eröffnet
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