Hornblower 07 - Unter wehender Flagge
murmelte er, zögerte dann aber. »Jetzt gibt es nur noch eins, was Ihr Aussehen noch verbessern könnte.
Entschuldigen Sie mich bitte für einen Augenblick.«
Er begab sich in sein Arbeitszimmer, kehrte aber sofort mit einem kleinen Lederetui zurück, das er öffnete. Auf seidener Unterlage ruhte darin ein glitzerndes weißes Emaillekreuz mit goldener Krone und goldenem Medaillon.
»Dies müssen wir Ihnen anheften«, erklärte er. »Ohne das Kreuz der Ehrenlegion zu besitzen, erreicht niemand den Rang eines Obersten.«
»Vater!« rief Marie bestürzt - es geschah selten, daß sie ihn mit dieser Bezeichnung anredete - »Es gehörte Louis-Marie.«
»Weiß ich, mein Kind, weiß ich. Es kann indessen für Erfolg oder Misserfolg des Kapitäns Hornblower entscheidend sein.«
Seine Hände bebten ein wenig, als er das rote Bändchen an Hornblowers Rock befestigte. »Aber, Herr Graf«, wehrte sich der Kapitän. »Ihre Güte geht zu weit.«
Als de Gracey das schmale und kluge Gesicht hob, war sein Ausdruck traurig, doch verwandelte er ihn sofort wieder in das ihm eigene Lächeln.
»Bonaparte schickte es mir nach... nachdem mein Sohn in Spanien gestorben war. Es war eine nachträgliche Ehrung. Für mich ist der Tand des Tyrannen wertlos. Dennoch würde ich es aus gefühlsmäßigen Gründen begrüßen, wenn Sie den Orden bewahren und mir nach dem Krieg wieder zustellen könnten.«
Nur widerwillig nahm Hornblower die Auszeichnung an, und er empfand es in diesem Augenblick besonders peinlich, daß er sich der Schwiegertochter dieses Mannes gegenüber, dessen Gastfreundschaft er genossen hatte, vergessen hatte, und brennender noch wurde sein Schuldgefühl, als er später am Abend mit dem Grafen allein im Wohnzimmer weilte.
»Nun sich Ihr Aufenthalt seinem Ende nähert, Herr Kapitän, empfinde ich erst ganz, wie sehr ich Ihre Gegenwart vermissen werde. Ihre Gesellschaft war mir außerordentlich angenehm.«
»Ich glaube kaum, daß diese Annehmlichkeit sich mit dem Grad der Dankbarkeit vergleichen lässt, die ich für Sie empfinde, Herr Graf«, erwiderte Hornblower. Herr de Gracey tat mit einer Handbewegung die Dankesäußerung ab, die Hornblower mühsam in Worte zu fassen suchte.
»Vor einem Weilchen erwähnten wir das Ende des Krieges.
Vielleicht werde ich es noch erleben, obwohl ich ein alter Mann bin. Werden Sie sich dann meiner und dieses am Ufer der Loire stehenden Hauses erinnern?«
»Gewiss!« rief Hornblower. »Niemals könnte ich es vergessen.«
Er sah sich in dem ihm so vertrauten Zimmer um, und sein Blick verweilte auf dem silbernen Kronleuchter, den altmodischen, aus der Zeit Ludwigs XVI. stammenden Möbeln und der schlanken Erscheinung des alten Aristokraten.
»Niemals könnte ich Sie vergessen, Herr Graf«, wiederholte er.
»Meine drei Söhne starben in jungen Jahren«, fuhr der Franzose fort. »Eigentlich waren sie noch Jünglinge, und vielleicht hätten sie sich zu Männern entwickelt, auf die ich stolz gewesen wäre. Damals, als sie in die Dienste Bonapartes traten, betrachteten sie mich bereits als verkalkten Reaktionär, für dessen Anschauungen sie kaum noch einiges Verständnis aufbrachten, aber das war schließlich begreiflich. Hätten sie den Krieg überlebt, so würden wir einander später vielleicht besser verstanden haben. Es sollte nicht sein; und nun bin ich der Letzte des Geschlechts Ladon. Ein vereinsamter Mann bin ich, Herr Kapitän; einsam unter dem jetzigen Regime. Dennoch fürchte ich, daß ich nach dem Sturz Bonapartes und der Rückkehr der Reaktion ebenso einsam bleiben werde. Diese Einsamkeit empfand ich in diesem Winter nicht, Herr Kapitän.«
Hornblowers Herz schlug dem hageren alten Mann entgegen, der ihm gegenüber auf einem unbequemen Lehnstuhl saß.
»Aber reden wir lieber von etwas anderem als von meiner Person, Herr Kapitän«, begann der Graf von neuem. »Ich wollte Ihnen von den wichtigen Neuigkeiten berichten, die zu uns gelangten. Der Salut, den wir gestern vernahmen, galt, wie wir annahmen, der Geburt eines Thronfolgers. Es gibt jetzt einen König von Rom, wie Bonaparte ihn nennt. Ob sich der Vorgang wirklich als eine Sicherung der Erbfolge erweisen wird, möchte ich bezweifeln, denn selbst viele Anhänger Bonapartes werden mit einer Verankerung seiner Dynastie nicht sonderlich einverstanden sein. Die Vorgänge in Holland finden ihre Bestätigung; es ist der Zollangelegenheiten wegen tatsächlich zu Schießereien zwischen den Truppen Louis Bonapartes und jenen
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