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Hornblower 08 - Der Kommodore

Hornblower 08 - Der Kommodore

Titel: Hornblower 08 - Der Kommodore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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ihn, und er nahm inmitten der mit ihm Erschienenen Platz. Sofort begannen die Theaterdiener im ganzen Zuschauerraum die Lampen niederzuschrauben, und das Orchester setzte mit der Ouvertüre ein. Dann hob sich der Vorhang, die Bühne zeigte eine Waldlandschaft. Und nun begann das Ballett.
    »Ein frisches, junges Ding, diese Madame Nicolas«, sagte der Gouverneur in scharfem, durchdringendem Flüsterton. »Sagen Sie mir, ob sie Ihnen gefällt. Wenn Sie wollen, kann ich sie nach der Vorstellung kommen lassen.«
    »Besten Dank«, flüsterte Hornblower zurück und war dabei verlegen wie ein Schuljunge. Dicht an seiner anderen Seite saß ja die Gräfin, und ihre warme Nähe wirkte so beunruhigend, daß er sich unmöglich wohl fühlen konnte.
    Die Musik perlte durch den Raum, im goldenen Schein des Rampenlichts folgte das Ballett ihren verschlungenen Wegen, daß die Spitzenröckchen wehten und die schimmernden Beine flogen. Es wäre nicht ganz richtig zu sagen, daß Musik auf Hornblower überhaupt keine Wirkung ausübte. Wenn er gezwungen war, längere Zeit ohne Unterbrechung Musik zu hören, dann wühlte ihr eintöniger Rhythmus in den dunklen Tiefen seines Wesens, während ihn die Melodie mit ihrem angeblichen Wohlklang quälte wie eine chinesische Wasserfolter. Fünf Minuten Musik konnte er stumpf und teilnahmslos über sich ergehen lassen, fünfzehn Minuten machten ihn zappelig, eine ganze Stunde aber war eine unerträgliche Qual. Er zwang sich mit Gewalt, während dieser endlosen Folter stillzusitzen, obwohl er seinen Stuhl jederzeit mit Freuden gegen das heißeste Kampfgewühl auf dem Achterdeck eines Schiffes eingetauscht hätte. Er suchte sein Gehör gegen das hartnäckige, zudringliche Geräusch abzuschließen, sich abzulenken, indem er seine ganze Aufmerksamkeit den Tänzerinnen widmete, der Madame Nicolas, die in schimmerndem Weiß über die Bühne pirouettierte, und den anderen, die in reizendem Gleichmaß, die Fingerspitzen am Kinn und den Ellenbogen in die Hand gestützt, auf Spitze an die Rampe getänzelt kamen. Aber das verschlug alles nicht, sein Elend wurde von Minute zu Minute schlimmer.
    Auch die Gräfin an seiner Seite begann unruhig zu werden. Ihre Gedanken teilten sich Hornblower mit, jedenfalls wußte er genau, was in ihr vorging. Aus der Literatur aller Zeiten, angefangen von der Ars amatoria bis zu den Liaisons dangereuses, kannte er rein theoretisch die Wirkung von Musik und Schauspiel auf das weibliche Gemüt, und in einem gewaltsamen Umschwung seines Gefühls haßte er in dieser Sekunde die Gräfin nicht minder als die Musik selbst. Er saß bewegungslos da und erduldete seiner Pflicht zuliebe stoisch die Qualen der verdammten Seelen. Nun rang er sich eine einzige Bewegung ab, die den Zweck hatte, seinen Fuß aus der Reichweite der Gräfin zu bringen. Er fühlte es, er wußte es, daß sie im nächsten Augenblick versuchen würde, ihn zu berühren, ohne Rücksicht darauf, daß ihr Mann mit seinem Vogelgesicht und dem eingeklemmten Monokel unmittelbar hinter ihnen saß.
    Der Zwischenakt bot nur eine kurze Atempause, aber es schwieg doch wenigstens die Musik, und außerdem konnte man aufstehen. Die Logentür wurde aufgerissen, und er mußte sich blinzelnd an die einfallende Helligkeit gewöhnen. Dann verbeugte er sich höflich vor ein paar Nachzüglern, die dem englischen Gast ihre Aufwartung machen wollten und ihm durch den Gouverneur vorgestellt wurden. Aber die Pause schien ihm kaum begonnen zu haben, da war sie schon wieder vorbei, er mußte wieder Platz nehmen, das Orchester begann von neuem mit seinem infernalischen Gekratze, und dann öffnete sich der Vorhang für die nächste Szene.
    Aber diesmal gab es eine wirksame Ablenkung. Hornblower war im ersten Augenblick noch nicht ganz sicher, was es war; der angespannte Wille, sich die Außenwelt abzuschließen, hatte ihn vielleicht die ersten warnenden Schüsse überhören lassen.
    Aber dann erwachte er doch aus seinem Alptraum, weil er auch seiner Umgebung deutlich einen Wandel, eine neue, ängstliche Spannung anmerken konnte. Das Grollen des schweren Artilleriefeuers war nun deutlich zu vernehmen - das ganze Theater schien bei den heftigen Schlägen leise zu erzittern. Er hielt den Kopf ganz still, nur aus dem Augenwinkel versuchte er, einen Blick auf den Gouverneur zu erhaschen, der neben ihm saß, aber dieser war offenbar noch ganz von Madame Nicolas und ihrer Tanzkunst in Anspruch genommen. Dabei handelte es sich gewiß um ganz besonders

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