Hornblower 08 - Der Kommodore
Kaviar und Wodka zu kosten, und heute weckte der herrliche Zusammenklang dieser beiden guten Dinge plötzlich einen Sturm von Erinnerungen in ihm. Gegen seinen Willen suchten seine Augen nach der Gräfin, dort stand sie und plauderte mit einem halben Dutzend würdiger Herren in Uniform. Nun begegnete ihm ihr Blick - eine Sekunde nur -, und doch lange genug. Der Blick schien ihm zu sagen, daß auch sie an damals dachte. Hornblower wirbelte ein wenig der Kopf, da faßte er sofort den Entschluß, heute Abend nicht mehr zu trinken. Er wandte sich ab und stürzte sich in ein Gespräch mit dem Gouverneur.
»Wie köstlich Kaviar und Wodka einander ergänzen«, sagte er, »dieses Paar reiht sich würdig all den anderen Zusammenstellungen an, die uns von den Pionieren des Feinschmeckertums geschenkt worden sind, wie Spiegeleier mit Speck, Rebhuhn mit Burgunder, Spinat und... und...« Er suchte nach dem französischen Wort für Schinken, bis ihm der Gouverneur zu Hilfe kam, wobei seine kleinen blauen Äuglein in dem runden, roten Gesicht vor Begeisterung aufleuchteten.
»Sie sind selbst ein Gourmet, Sir?«
Nun fiel es leicht, die übrige Zeit bis zum Diner auszufüllen, denn Hornblower hatte einige Übung darin, sich mit einem Partner über Kochkunst zu unterhalten, der auf diesem Gebiet Interesse mit Sachkunde vereinte. Mit Hilfe einiger Anleihen an seine Phantasie beschrieb er die Tafelgenüsse Westindiens und Mittelamerikas. Glücklicherweise hatte er sich während seines letzten Urlaubs mit seiner Frau in wohlhabenden Londoner Kreisen bewegt und an verschiedenen berühmten Tafeln gegessen, von denen vor allem die des Mansion House Erwähnung verdiente. Das gab ihm eine gute Grundlage an europäischer Erfahrung als nützliche Stütze für seine Phantasie.
Der Gouverneur dagegen hatte sich die Feldzüge, an denen er teilnahm, zunutze gemacht, um die Kochkunst der Länder zu studieren, in die er jeweils verschlagen wurde. Während der Kampagne von Austerlitz hatte er die Wiener und Prager Küche genossen, bei seinem Aufenthalt auf den Sieben Inseln retsinierten Wein gekostet, und als er die Frutti di mare erwähnte, die er in Livorno vorgesetzt bekam, während er unter Suwarow in Italien diente, da schlug er in heller Verzückung die Augen auf.
Ob bayerisches Bier, schwedischer Schnaps oder Danziger Goldwasser, er hatte von allem getrunken, genau wie er auch von allem gegessen hatte, ob es nun westfälischer Schinken war oder italienische Beccaficos oder türkische Rahat-Lakoumia.
Gespannt hörte er Hornblower zu, als dieser von den gebackenen fliegenden Fischen oder von dem Pfeffertopf erzählte, der eine Spezialität von Trinidad ist, und trennte sich mit echtem Bedauern von seinem Gesprächspartner, als ihn seine Pflicht dazu zwang, den Vorsitz an der Tafel zu übernehmen. Aber auch dann ließ er sich angelegen sein, Hornblower immer wieder auf die Speisen aufmerksam zu machen, die aufgetragen wurden. Dabei lehnte er sich weit vor, um ihn über zwei Damen und den Statthalter von Livland hinweg anzusprechen, und als das Diner vorbei war, entschuldigte er sich bei ihm, daß das Essen mit so stilwidriger Plötzlichkeit beendet werden mußte. Er beklagte sich bitter darüber, daß er sein letztes Glas Kognak so hastig hinunterstürzen mußte, weil man für die Festvorstellung des Balletts, die noch auf dem Programm stand, schon eine volle Stunde verspätet sei.
Mit schweren Schritten stieg er etwas später die steinerne Freitreppe des Theaters empor, seine Sporen klingelten silbern dazu, und der schwere Schleppsäbel an seiner Seite rasselte laut über die Stufen. Zwei Ordner gingen voran, und hinter Hornblower und Essen folgten die höchsten Spitzen der Gesellschaft, die Gräfin mit ihrem Mann und zwei weitere hohe Beamte mit ihren Frauen. Die Ordner öffneten die Logentür, und Hornblower wollte vor der Schwelle warten, um die Damen zuerst eintreten zu lassen. »Der Kommodore hat den Vortritt«, verkündete Essen. Hornblower kam der Aufforderung nach und trat ein. Das Theater war hell erleuchtet, vom Parkett bis zur Galerie drängte sich eine festliche Menge. Als Hornblower erschien, schlug ihm donnernder Applaus entgegen, der ihn für einen Augenblick förmlich lahmte, so daß er bewegungslos stehenblieb. In der nächsten Sekunde hatte er die glückliche Eingebung, sich erst nach der einen und dann nach der anderen Seite zu verbeugen - ›Wie ein Schauspieler‹ , sagte er sich. Nun stellte jemand einen Stuhl hinter
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