Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hornblower 08 - Der Kommodore

Hornblower 08 - Der Kommodore

Titel: Hornblower 08 - Der Kommodore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
Vom Netzwerk:
für einen Augenblick mit einer Hand die Zügel loslassen konnte, angelte er krampfhaft nach irgendeinem Stück seiner Ausrüstung. Sie wurden während ihres Rittes verschiedentlich angehalten, aber trotz der düsteren Prophezeiungen Essens fiel es keinem durchgedrehten Posten ein, auf sie zu schießen.
    Wieder waren sie angerufen worden und zügelten ihre Pferde.
    Sie hatten sich inzwischen Dünamünde so weit genähert, daß die Kuppel der Kirche sich schon schwarz gegen den blassen Himmel abhob. Als das Hufgeklapper schwieg, drangen andere Laute an Hornblowers Ohr, ein klagendes Jammern, hie und da übertönt durch laute Schmerzensrufe - ein ganzer Chor stöhnender und schreiender Menschenstimmen. Die Wache ließ sie passieren, und sie ritten in das Dorf ein. Nun fanden sie auch die Erklärung für all das Stöhnen und Schreien, denn ihr Weg führte rechts an einer fackelbeleuchteten Wiese vorbei, auf der augenscheinlich ein Verbandsplatz eingerichtet war. Im Vorüberreiten fiel Hornblowers Blick auf einen nackten Körper, der sich in Schmerzen wand und mit Gewalt auf einem Tisch festgehalten wurde, während sich die Arzte im Schein der Fackeln über ihn beugten wie Folterknechte aus der Inquisitionszeit und der Rasen ringsum mit stöhnenden, schmerzverkrümmten Verwundeten bedeckt war. Dabei hatte hier nur eine Plänkelei von Vorposten stattgefunden, eine ganz unbedeutende Affäre, die auf beiden Seiten höchstens ein paar hundert Mann gekostet hatte. Am Kirchentor saßen sie ab. Essen trat als erster ein und erwiderte die Ehrenbezeigung der bärtigen Grenadiere, die das Tor bewachten. Mitten im Dunkel des weiten Raumes schimmerte ein heller Lichtkreis um einige Leuchter mit brennenden Kerzen. Dort saß eine Gruppe von Offizieren an einem Tisch. Sie tranken alle Tee aus einem Samowar, der behaglich singend neben ihnen stand. Als der Gouverneur eintrat, standen alle auf, und Essen stellte vor:
    »General Diebitsch, Oberst von Clausewitz - Kommodore Sir Hornblower.« Diebitsch war Pole und Clausewitz Deutscher - es war jener preußische Offizier, von dem Hornblower schon früher einmal gehört hatte, ein hochgebildeter Soldat, der zu der Überzeugung gekommen war, daß wahre Treue um Vaterland die Forderung an ihn stellte, Bonaparte unter allen Umständen bekämpfen, und zwar ohne Rücksicht darauf, auf welcher Seite sein König und sein Land dem Namen nach standen. Sie machten ihre Meldung in französischer Sprache. Der Feind hatte bei Mondaufgang den Versuch unternommen, die Ortschaft ohne Vorbereitung zu stürmen, und war blutig abgeschlagen worden. Man hatte auch Gefangene gemacht. Der Gegner hatte ein vorgeschobenes Gehöft besetzen können, war aber durch den eigenen Gegenangriff abgeschnitten worden. Außerdem waren auch an anderen Stellen des Dorfrandes einzelne Gefangene in russische Hand gefallen. Sie hatten den Verschiedensten Einheiten angehört.
    »Die Leute sind schon vernommen worden«, sagte Diebitsch, und Hornblower mußte denken, daß er sich als Gefangener alles andere wünschen möchte, als dem General Diebitsch zum Verhör in die Hände zu fallen. »Ihre Aussagen waren recht wertvoll«, fügte Clausewitz hinzu und reichte dem Gouverneur ein Blatt Papier mit Notizen. Man hatte jeden Gefangenen nach seinem Bataillon gefragt, wie stark dieses sei, aus wie vielen Bataillonen das Regiment bestünde, zu welcher Brigade, welcher Division und welchem Armeekorps es gehöre.
    Clausewitz war im Begriff, nach diesen Angaben ein vollständiges Bild von der Zusammensetzung der französischen Kontingente der Angriffsarmee zu entwerfen, und glaubte, daraus auch ihre Stärke ziemlich genau schätzen zu können.
    »Die Stärke der preußischen Korps wissen wir ja schon«, warf Essen ein. Auf diesen Satz folgte ein peinliches Schweigen, wobei jeder vermied, dem Blick Clausewitz' zu begegnen. Von ihm rührten nämlich diese Angaben her.»In einer halben Stunde wird es hell«, lenkte Diebitsch ab und bewies damit mehr Taktgefühl, als man bei seiner äußeren Erscheinung von ihm erwartet hätte. »Vielleicht wollen sich die Herren von der Galerie aus selbst von der Lage überzeugen.«
    Als sie die enge Steintreppe in der dicken Kirchenmauer erstiegen hatten und auf die offene Galerie hinaustraten, die rings um die Kuppel lief, war der Himmel schon wesentlich heller geworden. Das ganze flache Marschland war von hier aus einzusehen, die Gräben, die Seen und die schmale livländische Aa, die sich in unzähligen

Weitere Kostenlose Bücher